Philosophisches Märchen

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Kurz und knackig: guter Stil, der philosophische Part war gut eingebaut, kreative Idee, Umsetzung hat mich allerdings auf dem falschen Fuß erwischt

Hier die lange Version:
Hab mich wahnsinnig gefreut, als ich dieses Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen habe. Denn ich bin ein riesiger Matt Haig Fan. Ich hab noch nicht alle seine Bücher gelesen, aber ich liebe seinen Stil und seinen Hauch von Philosophie, den er gerne einbaut. Diesmal habe ich das Buch allerdings mit etwas gemischten Gefühlen abgeschlossen.

Die Idee ist super: Eine Bibliothek mit unendlich vielen Büchern, von denen jedes eine andere Variante deines Lebens beinhaltet? Klinkt das nicht toll? Der Haken? Na gut, du musst erst (fast) sterben, um an diesen Ort zu gelangen, aber darüber wollen wir fürs Erste mal hinweg sehen…

In Nora Seeds Leben geht einiges schief und sie ist total unglücklich, einsam, depressiv und eines Tages, nachdem ihr alles zu viel wird, beschließt sie sich umzubringen. Doch bevor sie ins Jenseits übergeht, landet sie in der Mitternachtsbibliothek. Mit Mr. Elm, ihrer alten Schulbibliothekarin, als einzige Ansprechpartnerin. Sie zeigt ihr das Buch des Bereuens, welches jedes noch so kleine Gefühl der Reue aufgezeichnet hat und zwingt sie damit sich mit diesen Gefühlen auseinanderzusetzen. Eigentlich muss sie sich nur wünschen, dass sie eine Entscheidung, die sie bereut hat, anders getroffen hätte und schon reicht ihr Mr. Elm das Buch mit dem Leben, welches sie dann stattdessen geführt hätte. Sie taucht richtig darin ein und kann diese Leben kennenlernen. Wenn es für Nora das BESTE Leben darstellt, und sie nichts daran auszusetzen hat, dann kann sie in diesem Leben für immer bleiben, muss also nicht sterben. Gefällt es ihr doch nicht so gut, kehrt sie in die Mitternachtsbibliothek zurück und kann ihr Glück aufs Neue versuchen. Dies bietet ihr die Chance eine Vielzahl an verschiedenen Leben auszuprobieren.

Klingt doch nach einem sehr spannenden Konzept oder? Das dachte ich am Anfang auch und ging voller Vorfreude an das Buch heran. Der Anfang war gut. Sehr düster und man bekam einen guten Eindruck davon wie schlecht es ihr ging. Und dann kamen all diese verschiedenen Leben, die sie ausprobieren durfte. Und es erinnert einen sehr stark an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, den ich überhaupt nicht leiden kann. Aber über diese Ähnlichkeit konnte ich noch gut hinwegsehen. Was mich dann allerdings mehr störte, dass es verdammt nach einem Selbsthilfebuch klang: Ändere dein Leben und deine Einstellung, dann wird alles wieder gut! Sei offener und extrovertierte, dann wird alles wieder gut! Probiere mal ganz viele neue Dinge aus, dann wird alles wieder gut! Ganz einfach! Wie schwer kann es sein?

Wenn man jedoch einmal gesehen hat, wie sehr psychisch Kranke Menschen kämpfen, wie sehr sie leiden und wie lange sie kämpfen, oft ihr ganzes Leben lang, dann erscheint einem dieses Buch wie eine Verhöhnung dieser Krankheit.

Das Ende war zwar recht wage und oberflächlich gehalten, wirkte aber etwas zu einfach und zu glatt für mich. Ich hätte mir erhofft, dass es etwas schwieriger für sie gewesen wäre und damit den steinigen Weg von wirklich psychisch kranken Menschen ein klein wenig wiederspiegelt hätte. So wirkte es eher wie ein Märchen mit Happy Ending!