Vom Sinn des Lebens

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Gestaltung:
Mich hat die Optik des Buches sehr angesprochen. Alle Bücher des Autors haben eine durchdachte und ansprechende Gestaltung, aber "Die Mitternachtsbibliothek" ist für mich wirklich die schönste. Die dunkelblaue Farbe passt einfach exakt zur Geschichte, und unter dem Schutzumschlag verbirgt sich ein wunderschöner Sternenhimmel auf dem Cover. Selbst im Buch finden sich liebevolle Details, wie die Bibliothekskarteikarte im inneren des Buches. Die träumerische Gestaltung ist hier absolut gelungen und optimal auf den Inhalt abgestimmt.


*Trigger Warnung für die Themen Depression, Suizid und Einsamkeit*

Darum geht's:
Nora möchte sterben. Nach vielen harten Schicksalsschlägen ist ihr Leben so ganz anders gelaufen, als sie es sich je erträumt hat, und steckt mitten in einer depressiven Episode. Doch als Nora Suizid begehen will, stirbt sie nicht, wie erwartet, sondern findet sich in der Mitternachtsbibliothek mit der Schulbibliothekarin Mrs. Elms wieder. Nun hat sie die Möglichkeit, andere Varianten ihres Lebens auszuprobieren, in denen sie andere Entscheidungen getroffen hat - beruflich, in der Liebe, Familienplanung, Gesundheit und Bildung. Nora taucht in zahlreiche Lebensentwürfe ein und lernt Stück für Stück, was Leben bedeutet und worin die Schönheit und der Sinn ihres Lebens besteht.

Idee/Umsetzung:
Ich habe von Matt Haig vor einigen Jahren "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben" gelesen und wusste daher bereits, dass er sich viel mit den Themen Depression, Angst und Lebensmüdigkeit befasst, da er in diesem Bereich persönliche Erfahrungen machen musste. Ich als Psychologin finde diese Themen natürlich ebenfalls interessant und schätze es, auch abseits der Fachliteratur Einblicke in persönliche Erfahrungsberichte zu bekommen. Durch den lockeren Schreibstil des Autors sind seine Lesevergnügen immer sehr kurzweilig und leicht zu lesen.

Dieses Buch hier ist noch etwas anders, da Matt Haig hier das Thema Depression und Suizidwunsch mit fantasievollen Elementen spickt, in dem er die Metapher der Mitternachtsbibliothek erschafft. Ich fand diese fantasievolle Umsetzung sehr gelungen, da sie durch Verknüpfungen mit der Theorie der Paralleluniversen und philosophischen Fragen durchaus logisch eingebettet wurde.

Das Buch gliedert sich in verschiedene Bereiche. Im ersten Teil lernen wir Noras Leben kennen, in dem sie sich mit ihrem Bruder zerstritten hat, ihre Eltern erkrankt verstorben sind, sie sich von ihrem Ehemann hat scheiden lassen und am heutigen Tag auch noch ihren Job und ihren Kater verliert. In Noras Gedankenblase erhalten wir sehr anschauliche Einblicke in ihre selbst abwertenden Gedanken und ihre Lebensmüdigkeit, denen sie mit einer Überdosis Medikamenten am Ende des Tages ein Ende setzen will. Dieser Einstieg hat mir unfassbar gut gefallen, ich war direkt mitten in der Geschichte und habe mit Nora mitgefühlt.

Anschließend lernen wir gemeinsam mit Nora die Mitternachtsbibliothek kennen und sie beginnt mit der Unterstützung von Mrs. Elms einige Lebensentwürfe auszuprobieren. Insgesamt war das super spannend und sehr kreativ gelöst. Einige Lebensentwürfe fand ich interessant zu verfolgen, z. B. Nora als Olympiasiegerin oder als Leadsängerin ihrer Jugendband. Andere fand ich nicht ganz so spannend, wie die Gletscherexpedition, aber insgesamt hat der Autor sich hier einiges einfallen lassen. Mit der Zeit wurden mir ein paar Lebensentwürfe zu viel durchgespielt und ich war froh, als dann nur noch zusammenfassend berichtet wurde, was Nora noch alles ausprobiert hat, ohne im Detail in die Leben einzutauchen. Nichtsdestotrotz waren die ganzen vorgestellten Optionen sehr anschaulich dargestellt und die Passagen zwischendurch in der Mitternachtsbibliothek waren klasse, um ein bisschen verstehen zu können, was es mit der Bibliothek auf sich hat und worin der eigentliche Sinn besteht.

Das Buch endet mit einer gelungen Wendung, wie ich finde, und hat mich am Ende sogar einige Tränen gekostet. Die Botschaft, die Matt Haig hier verfolgt, kommt absolut brillant zur Geltung und hat mich ein wenig aufgeweckt und zum Nachdenken gebracht. Bis auf die wenigen Längen in der Mitte des Buches eine absolute runde Geschichte.

Figuren:
Zu guter Letzt möchte ich gerne noch auf die Figuren eingehen. Nora habe ich mit der Zeit sehr lieb gewonnen und sie macht als Protagonistin durch ihren wachsenden Erfahrungsschatz eine wunderbare Entwicklung durch. Auch ihre Familie lernen wir ein bisschen kennen, da in einigen Lebensentwürfen ihr Bruder an ihrer Seite ist und auch ihre Eltern teilweise noch am Leben sind. Wir lernen verschiedene Bekannte kennen, potentielle Partner und Ehemänner, sogar Kinder und Haustiere. Das alles hat für viel Abwechslung gesorgt und auch, wenn ich manche Personen gerne noch etwas länger begleitet hätte, war diese Fülle an Figuren toll in die Geschichte eingebettet. Eine besondere Rolle spielt auch Mrs. Elms, und bis jetzt kann ich nicht genau einordnen, wie ihr Dasein zu interpretieren ist. Aber das ist ja auch das Schöne, wenn Philosophie und Religion unterschiedliche Ansätze liefern und man den eigenen Kopf anstrengen kann.

Alles in allem hat mir diese Geschichte unfassbar gut gefallen! Bis auf einige Längen in der Mitte des Buches, wo für meinen Geschmack ein paar Lebensentwürfe zu viel detailliert durchlebt wurden, gibt es von meiner Seite her keinerlei Kritikpunkte.

Fazit:
Matt Haig hat mich auf die Reise zur Mitternachtsbibliothek genommen, und ich bin von dieser fantasievollen Geschichte absolut begeistert. In diesem Buch werden so viele spannende Grundsatzfragen zum Leben, Sterben und dem Sinn des Lebens aufgeworfen, dass ich nach wie vor am Nachdenken bin, wie alles zusammenhängt. Wer gerne kreative, philosophische und besondere Geschichten zum Thema Depression, Leben und Tod oder auch dem Sinn des Lebens liest, kann ich dieses Buch hier absolut ans Herz legen!