Die Plantage

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regenprinz Avatar

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Vorneweg: Dies ist wieder einmal ein Buch, bei dem ich mir mit der Bewertung echt schwer tue. Denn Tatsache ist, dass es mir nicht gefallen hat und ich mich streckenweise wirklich durchgequält habe, gleichzeitig sehe ich aber auch die große Mühe und die Sorgfalt, die darin steckt. Aber die Fülle von historischen Details und Informationen und die überaus geschliffene Sprache machen allein eben noch keinen guten Roman aus - dafür braucht es glaubwürdige Figuren und eine spannende Handlung. Beides fehlt mir hier völlig. Oder um die Schlagworte aus dem Klappentext zu nehmen: "authentisch und wunderbar lebendig" fand ich dieses Buch eben gerade nicht.
Ich fange mit meiner Kritik mal bei den Charakteren an - Antonia, die weibliche Hauptfigur, die doch eine tatkräftige Frau sein soll, der der Erhalt ihrer Plantage überaus wichtig ist, entpuppt sich bald als willfähriges Weibchen, die lieber mit der Nase in Büchern über exotische Viecher steckt, statt mit anzupacken. Die Arbeit und alles, was wichtig ist, überlässt sie lieber William, der - warum auch immer - plötzlich großes Interesse zeigt, die Plantage zu verwalten. Wie er mit Antonia umgeht und wie sie sich sein Verhalten gefallen lässt, finde ich übrigens vollkommen daneben. Eine Liebesgeschichte kann ich darin jedenfalls nicht erkennen!
Antonias Naivität gipfelt darin, dass jeder merkt, dass sie schwanger ist - sogar der sonst total unsensible William - nur sie selbst nicht. Nicht einmal, als Rovena, die vermeintliche Voodoo-Priesterin ihr ins Gesicht sagt "Deinem Kind geht es gut", fällt der Groschen. Seeeehr glaubwürdig ...
Viele Handlungen und Motive der Figuren bleiben im Dunkeln. Warum William nun so dringend nach London muss, erschließt sich mir nicht, denn dort kehrt er weder zur Armee zurück (die Kündigung ist ruckzuck erledigt) und seinen Bruder sucht er erst nach Tagen mehr oder weniger unwillig auf. Warum also das Ganze? Auch seine Rachegelüste an den beiden Männern, die ihn gefoltert haben, stehen teils ganz massiv im Vordergrund, teils scheinen sie doch nicht so wichtig. Die Begegnungen mit den beiden Männern laufen jedenfalls eher zufällig ab ... Am Ende fällt William dann urplötzlich ein, dass er Antonia liebt und dass es nicht nett von ihm war, sie schwanger sitzenzulassen, und weil er praktischerweise gerade auch noch einen tollen Besitz in ihrer Nähe geerbt hat, kehrt er flugs zurück und meldet seine Rechte wieder an - da kann der arme Tyler, der sich zwischenzeitlich um sie bemüht hatte, dann gleich einpacken. Tolle Lovestory, absolut glaubhaft, herrje ...
Auch die übrigen Figuren finde ich allesamt nicht überzeugend dargestellt. Die Charaktere sind unscharf, ihre Absichten wirken konstruiert, ihr Handeln ist für mich selten bis gar nicht nachvollziehbar. Zwischen Seite 300 und 450 war ich zweimal kurz davor, das Buch abzubrechen - das erste Mal, als klar wird, dass hier ein blutig metzelnder Serienkiller auftaucht (och, nee, muss das auch noch sein??) , das zweite Mal, als der männliche Hauptprotagonist mal eben seine Exfreundin brutal vergewaltigt, das aber als nicht weiter schlimm thematisiert wird. (Hallo, gehts noch??)
Ich habe mich dann doch dazu durchgerungen, es zu Ende zu lesen, aber ein Lesevergnügen war es nicht. Spannung ist weitgehend Fehlanzeige, nicht zuletzt aufgrund der vielen Rückblenden, in denen die immer gleichen Ereignisse aus der Sicht einer anderen Figur nochmals durchgekaut werden. Die historischen Details sind stellenweise auch derart umfangreich, dass sie die eigentliche Geschichte geradezu erschlagen - wenn jemand z.B. zum Hafen geht, brauche ich keine seitenlange Beschreibung der Einzelheiten der Kriegsmarine-Ausrüstung des Schiffes, das dort gerade liegt.
Die mystischen Elemente, die durch die alte Indianerin Vier Federn anfangs angedeutet werden, verpuffen im Laufe des Buches dagegen leider völlig. Das fand ich z.B. schade.
Ich habe mich jetzt für 2 Sternchen bei der Bewertung entschieden - der Rechercheaufwand für dieses Buch beeindruckt mich durchaus und der zweite Pluspunkt geht an die wirklich geschliffene Sprache. Aber von einem Roman erwarte ich eben deutlich mehr.