Farbenprächtiger Debütroman

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Catherine Tarley: Die Plantage
Inhaltsangabe (von der Verlagsseite kopiert)
South Carolina, 1781. Die junge Witwe Antonia Lorimer lebt allein auf ihrer vom Krieg zerstörten Plantage Legacy. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Anwesen wieder aufzubauen und einen verwundeten britischen Soldaten gesund zu pflegen: William Marshall. Dass ausgerechnet er in den Kriegswirren ihren Mann Henry erschossen hat, weiß sie nicht. Und so lässt sie sich immer mehr in den Bann dieses außergewöhnlichen Mannes ziehen. Ein Epos aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Die Menschen sind verwundet an Körper und Seele, das Leben ist geprägt von Verlust und roher Gewalt, aber auch von einer unerschöpflichen Aufbruchsstimmung und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Autorin (Information von der Verlagsseite)
Catherine Tarley geboren 1957, arbeitete nach ihrem Studium als Dramaturgin für einen US-amerikanischen Filmproduzenten. Im Jahr 2001 kam sie als Produktmanagerin zu einem süddeutschen Buchverlag. Sie lebt mit ihrer Familie in München.

Aufbau/Allgemeines
"Die Plantage" erscheint am 1.Dezember 2012 im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv premium)
Die 880 Seiten verteilen sich auf elf Hauptteile in insgesamt 50 Kapiteln. In einem umfangreichen Anhang werden Erläuterungen zu geschichtlichen Hintergründen und unbekannten Ausdrücken gegeben.
Die Handlung erstreckt sich über ein Jahr, umfasst den Zeitraum von 1781 bis 1782 und thematisiert die Ereignisse des von den Amerikanern gewonnenen Unabhängigkeitskrieges, bzw. deren Auswirkungen auf die (fiktiven) Hauptfiguren. Die elf Teile schildern die Handlung jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven.

Inhalt
Der eigentlichen Romanhandlung ist eine Legende des indianischen Otter-Stammes "Die Geschichte des Kriegers" vorangestellt, die für das Romangeschehen programmatisch ist. Es geht um einen starken Krieger, der einen schwachen Mann tötet und ausgerechnet von der Frau des Getöteten vor dem Zorn der Götter gerettet wird. Um seine Schuld zu sühnen, muss der Krieger das Leben des Getöteten erfüllen, ehe er seine Freiheit zurück erlangt.
Der männliche Protagonist William Marshall Spencer hat für die Engländer im Unabhängigkeitskrieg gekämpft. Nachdem er Henry Lorimer , einen Soldaten der amerikanischen Armee, "unehrenhaft" getötet hat, wollen dessen Freunde Algernon Reed und Oliver Roscoe sich rächen und foltern William beinahe zu Tode. Der schwerverletzte britische Colonel gelangt nach Legacy, der heruntergewirtschafteten Plantage der Lorimers und wird dort von Antonia, der Witwe Henry Lorimers, die zunächst nichts über William weiß, gesundgepflegt. Als es ihm besser geht, übernimmt er auf der Plantage das Amt des Verwalters und steht Antonia im Widerstand gegen ihren Schwager Hocksley bei, der die Plantage unbedingt in seinen Besitz bringen will. William und Antonia kommen einander näher und beginnen ein Verhältnis. Antonia wird schwanger, dennoch verlässt William sie und geht in der Hoffnung, an seine Militärkarriere anknüpfen zu können, nach London zurück. Unterdessen versucht Antonia, mit Hilfe ihres ehemaligen Sklaven und neuen Verwalters Joshua Robert, der Plantage zum Aufschwung zu verhelfen und sieht sich den Avancen von zwei Bewerbern um ihre Hand gegenüber: Andrew Tyler, der in ihrer Bank in Charleston für ihre Sache unermüdlichen Einsatz zeigt, ist in sie verliebt. Außerdem zeigt Algernon Reed, der Freund ihres verstorbenen Mannes und der reichste Plantagenbesitzer der Gegend, Interesse an ihr. Reed ist ein seltsamer Kauz, der offenbar ein Geheimnis hütet und ihr unheimlich ist. Obwohl William ihr keinerlei Zusagen gemacht hat, wartet Antonia unbeirrt auf seine Rückkehr...

Eigene Meinung
Nach der Inhaltsbeschreibung könnte man einen romantischen Liebesroman erwarten. Diese Annahme ist jedoch irrig, denn die komplizierte und keineswegs glatt verlaufende Beziehung zwischen William und Antonia entspricht weder dem Klischee eines Liebesromans noch dominiert sie die Handlung des Romans. Vielmehr sind es die Auswirkungen des Unabhängigkeitskrieges und das von William durchlittene Trauma der Folterung und Demütigung, die seine Beziehung zu Antonia und auch zu anderen Menschen prägen. Sein Leben wird vom Verlangen nach Rache an seinen Peinigern Reed und Roscoe bestimmt, durch diese Fixierung ist er beziehungsuntauglich geworden. Die Charaktere in diesem Roman sind vielschichtig und sehr faszinierend, wenn auch größtenteils wenig sympathisch. Das gilt nicht nur für den rachefixierten William, sondern auch für seine Gegenspieler Reed und Roscoe, die einerseits ziemliche Scheusale sind, andererseits aber auch Gründe für ihre unglückselige Persönlichkeitsentwicklung haben. Hier ist der Autorin die Ausgestaltung der komplexen Charaktere sehr gut gelungen. Etwas widersprüchlich und unglaubwürdig bleibt dagegen die Figur der Antonia, die einerseits durch ihre liberalen Anschauungen (z.B. Ablehnung des Sklavenhandels unter ethischen Gesichtspunkten, Widerstand gegen dominierende männliche Mitglieder der Pflanzergesellschaft, sexuelle Selbstbestimmung jenseits der Konventionen) ihrer Zeit voraus ist, andererseits aber William gegenüber als kritiklose Marionette auftritt.
Thematisch ist "Die Plantage" über das Beziehungsgeflecht der vier Hauptfiguren hinaus sehr vielseitig und informativ. Der Leser gewinnt Einblick in die menschenverachtenden Praktiken der Sklavenhaltung, die willkürlichen Grausamkeiten der weißen Plantagenbesitzer gegenüber ihren schwarzen Sklaven, aber auch ihre Angst vor Sklavenaufständen und Voodoo-Zauber, der von den Schwarzen aus Santo Domingo praktiziert wird. Auch die Hilflosigkeit von Ärzten und Mitmenschen im Umgang mit Geisteskranken wird eindrucksvoll dargestellt. Äußerst ansprechend ist der gehobene, anschauliche und anspruchsvolle Sprachstil der Autorin, der die Lektüre zu einem Genuss macht, lediglich in zwei Fällen passen die "modernen" Äußerungen der Figuren nicht in das 18.Jahrhundert.
Ein Anhang von 19 Seiten, in dem historische Fakten im Zusammenhang mit der Romanhandlung sowie Fachbegriffe und fremdsprachige Ausdrücke erklärt werden, erleichtert dem Leser das Verständnis der Zusammenhänge. Diese gut recherchierten Zusatzinformationen erheben "Die Plantage" über das Niveau eines gewöhnlichen, "nur" unterhaltsamen historischen Romans.

Fazit
Ein beeindruckendes Debüt, für das eine uneingeschränkte Leseempfehlung für Liebhaber gut recherchierter, detailreicher und farbenprächtiger historischer Romane gegeben werden kann!