Ueberfrachtet

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alasca Avatar

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Der Unabhängigkeitskrieg der jungen Kolonie Amerika geht seinem Ende zu. Antonia, verwitwete Southern Belle, findet in ihrer Scheune den schwerverletzten Colonel Lieutenant Spencer und pflegt ihn gesund, nicht ahnend, dass er ihren Mann getötet und die Zerstörung ihrer Plantage veranlasst hat. Sie verliebt sich in den düsteren, rätselhaften Mann. Als Wiedergutmachung hilft Spencer ihr, die Plantage wieder aufzubauen und kehrt dann nach England zurück, dem er Treue zu schulden glaubt - Antonia rechnet nicht damit, ihn jemals wiederzusehen. Das Ganze erhält Resonanz durch den Bezug zu einer indianischen Legende, die die Geschichte als Rahmen zusammenhält.

Den Stil der Autorin fand ich flüssig und bildhaft, der Text liest sich wie von selbst und lässt das Kopfkino flimmern. Ein bisschen störend fand ich die häufig vorkommenden Perspektivwechsel, auch innerhalb der Kapitel, die jeweils einer Figur mit personaler Perspektive zugeeignet sind. Insgesamt gibt es zwei Haupt- und drei Nebenfiguren, dazu eine Anzahl Neben-Nebenfiguren.

Die weibliche Hauptfigur fand ich nicht recht gelungen. Antonia wird zwar immer wieder als klug, idealistisch und zupackend apostrophiert, hat aber ihren Standpunkt von ihrem libertären Mann übernommen und niemals auf ihre reale Situation reflektiert. Ihre Aktivitäten beschränken sich auf lange Ausritte und ebenso lange Lesestunden in ihrer Bibliothek, nein halt, einmal bringt sie auch die Post zum Postamt;-). Ihre klassisch weibliche Hilflosigkeit zieht eine Reihe Männer an, die sich darum reißen, ihre Probleme zu lösen. (Wobei ich mich frage, welche Faszination das denn sein soll, der diese Männer reihenweise erliegen - sie scheint leidlich attraktiv zu sein, aber sonst ... Geist, Esprit, Erotik, Power - komplette Fehlanzeige.) Gegen Ende des Buches habe ich endgültig die Identifikation verweigert - nicht, weil sie durch ihr Schweigen ein entsetzliches Verbrechen deckt, sondern weil mir die Psychologie dieser Entscheidung vollkommen abstrus vorkam.

Dann der düstere Held: Spencer hat im Krieg furchtbare Dinge getan. Er wurde durch seine Erfahrungen brutalisiert und traumatisiert und hat seine Glücksfähigkeit verloren. Sein Verhalten Antonia gegenüber ist zynisch und verantwortungslos und dient nur seinen eigenen Interessen, aufkommende zarte Gefühle werden als störend weggedrückt. Zurück in England bereitet man ihm nicht den erhofften Empfang als Kriegshelden; er trifft eine alte Liebe wieder und verhält sich auf absolut unentschuldbare Weise, und am Ende muss er sich entschließen, welchem Land er dienen will. Seine Entwicklung fand ich durchaus nachvollziehbar, aber ich konnte mich für ihn nicht erwärmen. Na ja, vielleicht ein bisschen, zum Schluss;-)

Der interessanteste Charakter ist der Autorin, wie ich finde, mit einer der drei Nebenfiguren gelungen: Ein Criollo aus gutem Hause, verarmt, auf hohem Niveau verwahrlost, emotional verkrüppelt und von ungewöhnlicher körperlicher Schönheit. Diese Mischung aus Stumpfheit, Schläue und Grausamkeit fand ich beeindruckend.

Andere Figuren: Ein weiterer reicher Bewerber um Antonias Gunst, oszillierend zwischen Normalität und Wahnsinn; ein nüchterner, gutaussehender Nordstaaten-Bankier, der ansonsten blass bleibt; ein bodenständiger Sergeant, der seinem Captain bis zuletzt die Treue hält; eine weise Indianerin, weit entfernt von ihrem fast ausgerotteten Volk...

Worum geht es nun in diesem Roman? Es geht um Sklaven- und Waffenhandel, um die Problematik der gemischtrassigen Pflanzerfamilien mit ihrer Vermischung von Verwandtschaft und Herrschaft, um den Genozid an den Indianern, die inexistente Gleichberechtigung der Frau, den Missklang der Sklaverei im "Land of the Free", die Doppelmoral des Prinzips der militärischen "Ehre". Jedes dieser Themen hätte Stoff für einen eigenen Roman geboten, und so entsteht insgesamt ein Eindruck von Überfrachtung.

Immerhin bekommt man eine Ahnung, mit welchem geschichtlichen Erbe die heutigen USA zu kämpfen haben, woraus sich auch der Bezug zum Namen der Plantage ergibt: "Legacy", was nichts anderes heißt als eben "Erbe" oder aber "Vermächtnis". Dafür und für den angenehmen Stil gibt es von mir drei Punkte.

Übrigens ist die auf dem Cover abgebildete Pflanze eine blühende Indigostaude.