wundervoller Südstaatenroman

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sissidack Avatar

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„Die Plantage“ war ein Buch, bei dem ich jeden Abend einen kleinen Kampf mit mir selber ausfechten musste. Leg ich es jetzt weg oder lese ich noch ein paar Seiten, obwohl es schon furchtbar spät ist und der Wecker wieder früh klingelt? Jeden Abend dieselbe Frage – aufhören oder weiterlesen.

Es gibt nicht viele Bücher von denen ich behaupten kann, dass sie mich so gefesselt haben wie „Die Plantage“, und das, obwohl es kein Fantasy-Roman sondern eine eindrucksvolle Beschreibung der Jahre nach der Unterzeichnung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ist.

Wie stellt man sich als Frau einer Welt, die von Männern dominiert wird, wenn der eigene Mann gerade verstorben und das Land vom Krieg verwüstet ist?

Wie lebt man sein Leben weiter, in einem Land, in dem „der Feind“ noch allgegenwärtig ist?

Antonia Lorimer macht es sich nicht leicht. Sie kehrt nach dem Krieg zurück auf „ihre“ Plantage, allein, ohne Hilfe eines „starken Mannes“ an ihrer Seite – sie ist willensstark und will wiederaufbauen, was der Krieg zwischen Briten und Amerikanern zerstört hat.

Kaum zu Hause angekommen findet Antonia einen Verletzten, ja fast schon Toten, in ihrem Pferdestall. Was tun? Offenbar ist der Fremde ein britischer Offizier - der Feind der Unabhänigkeit, des ganzen amerikanischen Volkes im eigenen Haus.

Antonia zeigt wahre Größe – sie nimmt den Mann – der sich "Mr. Marshall" nennt, bei sich auf, pflegt ihn gesund. Der Fremde – tatsächlich britischer Offizier und zwar einer von der ganz üblen Sorte, im Krieg durch seine Grausamkeit und Unerbittlichkeit berühmt geworden, bleibt nach seiner Genesung und hilft Antonia, die Plantage wieder auf Vordermann zu bringen. Mit strenger Hand bringt er die Dinge zu laufen und nimmt Antonia aus der Hand, was doch ihr gehört. Und Antonia lässt es geschehen - aus Liebe und aus Ehrfurcht vor dem Mann, der so viel durchgemacht hat und dennoch so viel Energie hat, um weiterzumachen, weiterzuleben, weiterzuarbeiten.

Wie das Leben so spielt, beide Verlieben sich und wie es nicht anders sein kann, verlässt Mr. Marshall Amerika um in seine Heimat England zurückzukehren.

Antonia bleibt zurück, allein und schwanger. Sie steht erneut vor den Scherben ihres Lebens und muss nun, zwar nicht ganz allein, aber doch ohen Mr. Marshall, zurechtkommen. Wie schnell gewöhnt man sich doch daran, dass einem Entscheidungen abgenommen werden?

Nach diesem grandiosen Einstieg in die Erzählung folgen ausführliche Beschreibungen der einzelnen Charaktere die einen Einblick in deren Vergangenheit erlauben und dem Leser die Möglichkeit geben, sich in die jeweils agierenden Personen hineinzuversetzen und ihre Handlungsweisen und Motivationen zu verstehen.

Abgründe tun sich auf, die dunklen Seiten der Menschen treten ans Licht.

Schlussendlich kehrt Mr. Marshall zurück auf „Die Plantage“, doch ein Zusammenleben mit Antonia lässt seine Vergangenheit nicht zu. Zu viel ist geschehen, im Krieg, in Amerika, in England, auf den Passagen per Schiff. Mr. Marshall hat seine Vergangenheit eingeholt und die Zukunft, Antonia und ihr Kind, haben keine Platz im Leben des ehemaligen Offiziers.

So endet „Die Plantage“. Ohne Happy End, doch meiner Meinung nach mit sehr viel Potential für eine Weiterführung der Geschichte.

Die Autorin versteht es wirklich, den Leser mit ihrer Schreibweise zu fesseln. Trotz der wirklich ausführlichen Schilderungen der einzelnen Hauptcharaktere wird das Lesen niemals langweilig, im Gegenteil, die Lektüre fesselt.

Ich habe bisher wirklich selten so eine gute Erzählung gelesen, die trotz ihrer rund 800 Seiten von der ersten bis zur letzten die Spannung derart hoch gehalten hat.
Wer den Wälzer von 800 Seiten nicht scheut, dem kann ich pures Lesevergnügen versprechen!