Turbulenzen auf dem Fleischmarkt

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buecherfan.wit Avatar

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Im Mittelpunkt von Un-Su Kims Debütroman “Die Plotter“, der im Original bereits 2010 erschien und jetzt die Welt erobert, steht der Profikiller Raeseng. Raeseng wurde als Säugling in einer Mülltonne ausgesetzt und von dem Plotter Old Raccoon aufgezogen und zum Killer ausgebildet. Sein Zuhause war und ist eine 90 Jahre alte Bibliothek, die Dog´s Library, ein Treffpunkt für Mörder. Hier hat sich Raeseng selbst das Lesen beigebracht. Mit Anfang 30 ist er seit 15 Jahren Profikiller und erledigt seine Aufträge effizient und ohne Schuldgefühle. Zu Beginn des Romans hat er den Auftrag, einen alten General aus der Zeit der Militärjunta in Südkorea zu eliminieren. Er beobachtet, wie der Alte mit seinem Hund spielt und zögert. Später wird der alte Mann ihn zum Essen einladen und bei sich übernachten lassen, obwohl er genau weiß, was ihm bevorsteht. Raeseng kommen erste Zweifel an seinem Tun, die jetzt und später beim Mord an einer jungen Prostituierten zu eigenmächtigen Änderungen des Auftrags der Plotter führen, wodurch er selbst zur Zielperson wird. Wie der Roman deutlich zeigt, gibt es eine strenge Hierarchie. Die Killer kennen die anderen Plotter meist nicht und erst Recht nicht die Auftraggeber. Alle in diesem Gewerbe Tätigen wissen, dass keiner von ihnen an Altersschwäche sterben wird. Der kleinste Fehler bei der Ausführung der Aufträge ist ihr eigenes Todesurteil.
Im Roman geht es jedoch nicht nur um Raesengs Werdegang und Schicksal, sondern auch um die gesellschaftlichen und politischen Umstände, die den “Fleischmarkt“, wo Interessenten, die es sich leisten können, Morde einkaufen, erst ermöglichen. “Die Plotter“ porträtiert ein Land im Umbruch nach der Diktatur, wo die Menschen angesichts der allgegenwärtigen Korruption und einer Vielzahl von Verbrechen auch von Seiten der Regierenden jede Hoffnung verloren haben und niemandem mehr vertrauen. Der Fleischmarkt funktioniert nach den Gesetzen der Marktwirtschaft. Es gibt viel Konkurrenz und sinkende Erträge. Ältere Plotter werden ausgeschaltet, eine neue Generation drängt an die Macht. Raeseng trifft in Mito eine Frau, die lange Assistentin eines mächtigen Plotters war und nun mit Raesengs Hilfe die Strippenzieher vernichten und belastendes Material öffentlich machen will. Sie akzeptiert, dass dies wohl ihren Tod bedeutet. Auch Raeseng weiß das. Wenn er mitmacht, gewinnt er seine Würde zurück und verliert sein Leben.
Kims Porträt einer Gesellschaft ohne Moral und Skrupel ist interessant und in seiner Machart ungewöhnlich, aber vom Thema her schon sehr gewöhnungsbedürftig. Dem Roman wird Humor nachgesagt. Ich bin jedoch sicher, nicht gelacht oder auch nur geschmunzelt zu haben. Die sprachlich-stilistischen Qualitäten lassen sich nicht wirklich beurteilen, weil es sich hier – wie so oft bei Texten aus dem asiatischen Raum – um eine Übersetzung aus dem Englischen und nicht aus der Originalsprache handelt.