Rätselhaft und fesselnd
Katie Kitamuras neuer Roman ist ein rätselhaftes Experiment, das einen immer wieder dazu bringt, alles zu hinterfragen, was man über die Ich-Erzählerin und ihr rätselhaftes Verhältnis zu Xavier, dem jungen Mann, zu verstehen geglaubt hat. Ist er ihr Sohn? Ist sie seine Mutter? So sehr man sich bemüht, die Antwort ist nicht zu greifen. Die Rollen wechseln, die Figurenkonstellationen verrutschen. Familie als geteiltes Trugbild. "Die Probe" vibriert förmlich vor Ambivalenz. Abstrakter als ihre Vorgängerromane, widmet sich Kitamura erneut den Untiefen der menschlichen Psyche, seziert zwischenmenschliche Beziehungen, untersucht die Rollen, die wir jeden Tag spielen, die Alltagsrituale, die Unmöglichkeit, andere Menschen, vielleicht sogar sich selbst wirklich jemals zu kennen. Mit albtraumhafter Logik entfaltet sich die Handlung, bis die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Aufführung verwischen. Man will weiterlesen, um zu erfahren, was passiert, auch wenn man bereits ahnt, dass es hier keine leichte Auflösung geben wird. Aber das ist egal: Denn wie Kitamura Fragen aufwirft und dem Leser Rätsel aufgibt, ist interessanter als die meisten Antworten, die man in anderen Romanen findet.