Die langen Schatten der Vergangenheit

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buecherfan.wit Avatar

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Ake Edwardsons neuer Roman “Die Rache des Chamäleons" beginnt mit einem zunächst rätselhaften Prolog. An einem unbekannten Strand wird in der Morgendämmerung eine Yacht erwartet. Eine Gruppe von Männern nimmt Kisten mit sehr wertvollem Inhalt entgegen und bringt sie zum Ufer. Ein Unbekannter beobachtet die Aktion, gehört aber eigentlich zu den Helfern. Dann entfernt er sich von der Gruppe. Wenig später gibt es eine Explosion. Dieser kursiv gedruckte Auftakt wird erst im Laufe des Romans verständlich.

In der eigentlichen Romanhandlung wird der erfolgreiche Werbefachmann Peter Matteús vorgestellt. Er ist seit sieben Jahren mit Rita verheiratet und hat zwei Töchter, Magdalena und Isabella. Er lebt und arbeitet in Stockholm. Dann wird ihm ein Briefumschlag mit Fotos seiner Familie und einem Schließfachschlüssel zugestellt. Seine Frau erhält Tickets für eine Reise nach Spanien. Peter erhält weitere Anweisungen, die ihm unmissverständlich klar machen, dass er keine Wahl hat. Er muss die Reise antreten und den Auftrag ausführen, der auf ihn wartet. Gegenüber seiner Frau verstrickt er sich in ein Netz von Lügen.

Es st offensichtlich, dass Peter seine Vergangenheit verdängt und vor seiner Familie geheim hält. Er hat zwanzig Jahre zuvor etwas Unrechtes getan und zu seinem Schutz eine neue Identität angenommen. Jetzt ist er enttarnt und muss sich den späten Folgen seiner Tat stellen. Es geht um Verrat und Rache. Vor Ort trifft er die Freunde und Gesinnungsgenossen von früher wieder, allen voran Aitor Usetxe, aber auch Iker Aurtenetxe, Jesús Maria Montanas und Naiara, seine große Liebe, die er damals plötzlich und ohne Abschied verlassen musste. Es werden immer wieder Szenen aus der Vergangenheit eingeblendet, die zeigen, dass Peter alias Svante Berger sich damals politisch engagiert und mit einer Clique von baskischen Separatisten zusammengearbeitet hat.

Die Romanhandlung um Aitors Rache und Peters Buße nimmt dann viele unerwartete Wendungen. Es gibt immer mehr Mitspieler mit einer jeweils eigenen Agenda. Peters Töchter und seine Schwiegermutter werden in Schweden zu ihrer eigenen Sicherheit entführt und an einem unbekannten Ort versteckt, und sogar Ehefrau Rita wird in die Intrigen einbezogen. Im letzten Teil des Romans gewinnt der Leser den Eindruck, dass der Autor die Lust verloren hat, die Sache noch irgendwie logisch und verständlich zum Abschluss zu bringen. Das Ende ist weitgehend offen. Wer beobachtet und manipuliert hier wen? Geht es um den politischen Kampf der baskischen Separatisten oder um den Machtkampf zweier Mafiabosse? Ging es auch vor zwanzig Jahren zumindest für einige in der Gruppe nur um Macht und Geld? Hat Peter tatsächlich Drogen im Wert von 3 Millionen Dollar für sich abgezweigt? Und wenn ja, was hat er damit gemacht? Ist Aitors kleiner Bruder damals während der verratenen Aktion hingerichtet worden, oder lebt er und betreibt jetzt irgendwo eine kleine Landwirtschaft, wie Montanas behauptet?

Edwardsons wirre Geschichte hinterlässt einen faden Nachgeschmack. Sie ist trotz der vielen ziemlich unmotivierten Handlungsumschwünge nicht einmal spannend. Henning Mankell bezeichnet Ake Edwardson als begnadeten Erzähler. Diese Einschätzung kann ich anhand des vorliegenden Romans jedenfalls nicht teilen.