Die Macht der Bücher

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marapaya Avatar

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Die Welt der Bücher war für Bobby bis zu jener schicksalhaften Begegnung mit Rosa und ihrer Mutter Val schlicht nicht existent. Bobbys Leben war vor allem davon bestimmt, in der Schule den anderen Kindern aus dem Weg zu gehen, also möglichst unsichtbar zu sein und zu hause setzte sich dieses Verhalten nahtlos weiter fort, denn die neue Freundin seines Vaters konnte mit Bobby wenig anfangen. So blieb ihm daheim nur die Aktensammlung, die er akribisch verwaltete und erweiterte für seine Mutter, die eines Tages wieder nach hause kommen würde; und sein bester Freund Sunny, der sich zu seinem Schutz nach und nach in einen Cyborg verwandeln lassen würde. Doch mit ihrem Masterpiece, der Stahlplatte in Sunnys Gehirn, hatten sich die Jungs verschätzt. Sunny stürzte nur knapp am Tod vorbei und verlor dabei seine gesamte Gesichtsmimik. Unverwüstlich wie ein Terminator sollte sich anders anfühlen, stattdessen packte ihn seine Mutter mit all ihrem Hab und Gut ein und zog in eine andere Stadt. Bobby blieb allein zurück, in der Schule die schlägernden Kinder und daheim der jähzornige Vater mit seiner beschränkten Freundin.
Eines Nachmittags lief ihm Rosa in die Arme. Sie war anders als die anderen Kinder, sehr bestimmend aber augenscheinlich nicht so schnell im Kopf. Situationen mit anderen Menschen schätzte sie nicht immer richtig ein und so wurde sie an diesem ersten Nachmittag ihrer Begegnung Opfer seiner grausamen Mitschüler. Rosas Mutter schäumte vor Wut, doch ihr entging Bobbys Geruch nach Einsamkeit nicht und so zeigte sie ihm eines Sonntags den Bücherbus. Mehrere Ereignisse führten dazu, dass Bobby mit Rosa und Val davon lief. Der Bücherbus wurde ihr Fluchtfahrzeug und unterwegs gabelten sie noch eine Art Waldschrat auf. Bobby befand sich mitten in einem fantastischen Abenteuer.
Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek ist eine Geschichte, die jedes Alter anspricht. Vier einsame Menschen, zwei Kinder und zwei Erwachsene finden sich unverhofft zusammen und ergreifen die Chance eine Familie zu werden – gegen alle Widrigkeiten, die sich ihnen in den Weg stellen. Es ist ein Plädoyer für die tröstende, Hoffnung spendende und Ideen weckende Macht der Literatur sowie ein Plädoyer für die freie Wahl seiner Familienmitglieder. Bobby beginnt in der gestohlenen Bibliothek ein Buch nach dem anderen zu verschlingen, oft liest er Rosa vor und sie reden alle zusammen viel über die Geschichten, die sie lesen. Mit der Entdeckung der Literatur scheint er langsam zu begreifen, was es bedeutet zu leben. Die Erwachsenen um ihn herum geben ihm Geborgenheit, Halt und Liebe, obwohl auch sie gegen eigene Dämonen zu kämpfen haben.
David Whitehouse trifft einen einfühlsamen Ton und erzählt seine Geschichte in lebendigen Bildern, die sowohl märchenhaft als auch schrecklich grausam sein können. Besonders wenn er Bobbys Perspektive einnimmt und die Welt aus seinen verstörten Jungsaugen erzählt, kann man sich Bobbys Einsamkeit nicht entziehen und lebt umso freudiger auf, je länger das Abenteuer im Bücherbus seinen Lauf nimmt und der Junge an Vertrauen in sich selbst gewinnt. Einziger Wermutstropfen ist das Ende des Bücherbusses, der zum Preis der kleinen Wahlfamilie geopfert werden muss.