Enttäuschend anders als erwartet

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hiclaire Avatar

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Sowohl das Vorwort des Autors, als auch seine Skizzierung der historisch veränderten Ausgangslage Deutschlands haben mir gefallen und mich neugierig auf seine Geschichte werden lassen, desgleichen der spannende Auftakt auf den ersten Seiten. Danach wurde es schon etwas schwieriger, denn eine ziemlich undurchsichtige Gemengelage und häufig wechselnde Handlungsstränge haben mir den weiteren Einstieg nicht leicht gemacht. Die spezielle Ausgangslage ist in der Kurzbeschreibung erläutert und auf den Inhalt kann ich schlecht ausführlicher eingehen ohne zu spoilern bzw. die Spannung zu nehmen. Deshalb komme ich gleich zu meinen Eindrücken.

Dieser Giftgasvorfall in Ostberlin schreckt in Ost und West diverse geheim- und nachrichtendienstliche Gruppierungen auf, zwischen denen in der Folge ein verbissener Wettlauf um Informationen und Hintergründe entbrennt. Was es genau damit auf sich hat, blieb für mich lange Zeit vage und nicht sehr verständlich. Gegen Ende klären sich die Zusammenhänge, was mich aber kaum noch interessiert hat, denn zu dem Zeitpunkt überwog bei mir bereits die Enttäuschung.

Mal abgesehen von den geheimdienstbedingten Verwirrungen, kam ich mit dem ersten Drittel noch ganz gut klar. Die Schilderungen der prosperierenden DDR und der kapitalistischen Auswüchse in Berlin-Deutschland/West-Berlin fand ich interessant und nicht schlecht gemacht. Vielleicht ein bisschen polarisierend, aber das darf ruhig sein und ist leider auch nicht völlig unrealistisch. Die Hauptfiguren werden nach und nach vorgestellt, Ex-Stasi Oberst Gustav Kuhn gleich im Eingangskapitel, etwas später Harper, Mitarbeiterin des britischen Geheimdienstes. Mutig und kämpferisch, aber ziemlich schräg. Eine Person, der ich nicht viel abgewinnen konnte. Noch etwas später betritt mit Chris eine weitere (und die einzige mir halbwegs sympathische) Hauptfigur die Bühne. Seine Einreise in die DDR wird detailliert geschildert und schafft eine beklemmende Atmosphäre, die sich authentisch anfühlt. Eine der für mich besten Szenen des Buches. Anlässlich einer Beerdigung besucht er zum ersten Mal seine DDR-Verwandtschaft und ein wenig saarländisches Lokalkolorit sorgt kurzzeitig für Auflockerung (hier kam mir der Gedanke, der Autor könnte Saarländer sein *g*), bevor sich der Schwerpunkt in Richtung von Schießerei und Gemetzel verschiebt. Ein Feuergefecht jagt das andere, drastisch geschildert, mit spritzendem Blut (und anderen Substanzen) und Bergen von Toten. Unterbrochen, oder auch ergänzt, je nachdem wie man es betrachten möchte, von ebenso detaillierten wie (für mich) gänzlich uninteressanten Erläuterungen zu Waffen und Munition. Anstrengend fand ich auch den ständigen Gebrauch militärischer Abkürzungen.

Die Ausgestaltung der veränderten Gesellschaft und die politischen Dimensionen treten in den Hintergrund und bleiben lediglich Kulisse für einen martialischen Actionschwinger, der nahezu überall hätte spielen können. Einhergehend mit den reißerischen Entwicklungen in der Handlung wird auch die Sprache zunehmend plakativer, die adjektivische Charakterisierung der „Bösen“ immer dicker aufgetragen *augenroll*. Aufgrund der inhaltlichen und sprachlichen Entwicklung war die Lesefreude bei mir spätestens im letzten Drittel komplett dahin, die Auflösung hat mich nicht überzeugen können und ich war, ehrlich gestanden, froh am Ende angekommen zu sein. Wäre es kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich es wahrscheinlich vorher abgebrochen.

Fazit
Nach der Leseprobe und dem Einstieg hatte ich mit einer subtileren Geschichte gerechnet. Mit mehr Tiefgang und Stimmigkeit, auch hinsichtlich der Figuren. Und mit mehr Präsenz des fiktiven gesellschaftlich-historischen Hintergrundes, von dem ich anfangs den Eindruck hatte, dass er dem Autor ein Anliegen war – welches er dann im weiteren Verlauf aus den Augen und sich in einer explosiven, aber eher platten Action-Story verloren hat. Schade!

Mit 2,5 Sterne würde ich das Buch bewerten, da das nicht geht, aufgerundete auf 3.