Solider Thriller mit mehr Potenzial

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Das Jahr 2020, der Ort Deutschland. Genauer gesagt, die Deutsche Demokratische Republik Deutschland, die sich über gesamt-Deutschland erstreckt. Einzige Ausnahme bildet West-Berlin, der letzte Rest der Bundesrepublik Deutschland und ein Synonym für kapitalistischen Luxus und Vergnügungssucht. Zudem gilt West-Berlin als Tummelplatz sämtlicher (westlicher) Geheimdienste. Eben diese geraten nach einem verheerenden Giftgasanschlag in Ost-Berlin in Aufregung: Es gilt herauszufinden, wer hinter der Tat steckt, welchem Ziel der Anschlag galt und ob es nur der Anfang für etwas Größeres gewesen sein könnte. Ein Wettlauf auf beiden Seiten beginnt: gegen die Zeit und gegeneinander.
Die Ausgangslage dieses Romans von Maxim Voland (übrigens das Pseudonym eines, noch unbekannten, deutschen Bestsellerautors) bildet ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn die Westmächte nach Ende 2. Weltkrieges ihre Gebiete an die Sowjetunion abgetreten und damit eine deutschlandweite DDR ermöglicht hätten, die bis in die Gegenwart Bestand hätte.
Der Leser erlebt eine DDR, die ihren internationalen Platz hat, noch immer ihren sozialistischen Plan verfolgt, dabei aber weit entfernt ist von Mangelwirtschaft und Rückständigkeit. Im Gegenteil erscheint die DDR als ein technisch hoch entwickeltes Land, das nicht nur international konkurrenzfähig, sondern in einigen Bereichen sogar führend ist. Führend ist die DDR weiterhin, und wenig überraschen, in der perfekten Überwachung seiner Bürgerinnen und Bürger.
Im Zuge des Anschlages werden nun unterschiedliche Personen auf verschiedenste Art und Weise in folgenden Geschehnisse hineingezogen: ein in Ungnade gefallener Stasi-Oberst mit Republikflucht-Gedanken, eine Agentin des MI6, ein französischer Dolmetscher bei seinem ersten (Verwandten-)Besuch in der DDR und seine mehr oder minder systemtreue Cousine.
Die unterschiedlichen Erzählperspektiven der Charaktere machen das Buch interessant und erlauben es dem Autor verschiedene Szenarien seines Gedankenexperiments einzubringen und verschiedenen Fragen zu beleuchten: Ist die DDR heute wirklich immer noch anti-kapitalistisch? Sind die Menschen in der DDR wirklich alle gleich, oder gibt es „Gleichere“? Sind die Menschen noch immer konform? Wie wäre Widerstand gegen totalitäre technische Überwachung möglich? Welche Vorurteile des Westens gegen die DDR bestehen noch immer? Wie sind die internationale Akzeptanz und das Ansehen einer modernen DDR in der Welt? Und vor allem: Gibt es in Bezug auf die moderne DDR wirklich überraschende Momente? Neben den verschiedenen Standpunkten fügt der Autor auch in jedem Kapitel Dokumente hinzu: DDR-Witze und Lieder, ‚aktuelle‘ Auszüge aus Reden von DDR-Politikern und vieles mehr.
Dabei ist die Geschichte rasant geschrieben und entwickelt sich schnell (die Story umfasst ungefähr 3-5 Tage) und durch den ständigen Perspektivwechsel taucht der Leser schnell in spannende Welt voll Spionage und internationaler Konflikte ein. Auch an wilden Schießereien und Verfolgungsjagden hat der Autor nicht gespart. Alles in allem ein unterhaltsamer, solider Politthriller mit einer sehr interessanten gedanklichen Ausgangslage, die leider manchmal zugunsten der ‚Action‘-Elemente zu kurz kommt.