Spannendes "Was wäre, wenn"-Szenario

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_sabrina_ Avatar

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Die deutsche Nachkriegsgeschichte ist an sich eine spannende Angelegenheit, aber hier hat der Autor eine ganz andere Geschichte entwickelt. Mit geänderten Vorzeichen und der hochmodernen und fortschrittlichen DDR als herrschendem System – ausgenommen dem kleinen Berlin-Deutschland - entsteht ein „Was wäre, wenn“-Szenario, welches Stoff für einen spannenden Polit-Thriller bietet. Ein Giftgasanschlag -oder war es doch nur ein Unfall? -bildet den Beginn einer Hetzjagd auf der Suche nach der Wahrheit und dem Versuch weiteren Schaden abzuwenden.

Zu Beginn hatte ich so meine Schwierigkeiten in die Geschichte zu finden, denn das geschaffene System war zunächst so fremd und schien mir zu utopisch. Da der Autor jedoch anschaulich und verständlich schreibt, bekam ich schneller ein Gespür für das System, als ich erwartet hatte. Ein System, dass ich, wie die junge DDR-Bürgerin Alicia, nicht ganz so prickelnd finden würde. Totale Überwachung und Gespitzel, IM wohin das Auge reicht und das überall in Deutschland – nur nicht in Westberlin, wo sich dafür neben Clans z.B. in Spandau, auch Agenten der verschiedensten Behörden tummeln.

An einem scheinbar normalen Tag geschieht ein großes Unglück. Giftgas tötet zahlreiche Menschen in Ost und West und nun gilt es herauszufinden, ob es ein Unfall war oder doch ein Anschlag. Wer hätte ein Interesse an einem Anschlag und wem kann man noch trauen? Oberst Gustav Kuhn, der eigentlich seinen Hut nehmen wollte, ist persönlich betroffen und macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Mitten ins Geschehen stolpert der französische Dolmetscher Christopher und MI6 Agentin Harper erlebt auch nicht nur einmal ihr blaues Wunder beim Versuch Licht ins Dunkel zu bringen. Brisante und gefährliche Erfahrungen machen die Protagonisten in der DDR, aber auch in Berlin-Deutschland und Moskau. Die Protagonisten – wie verdorben sie auch gelegentlich scheinen oder sind – sind spannend gezeichnet. Man fiebert mit, hofft das Beste, wird nicht selten von irgendwelchen Wendungen überrascht und natürlich wird auch ordentlich Blut vergossen. Das ist manchmal fast ein wenig zu viel und auch manche Meisterleistung vor allem von Harper ist…naja, vielleicht nicht ganz so glaubhaft, aber beim Lesen macht das überhaupt nichts. Die Protagonisten wachsen über sich hinaus, manchmal eben zu viel, aber für mich hat es immer noch gepasst, schließlich wächst man ja auch mit seinen Aufgaben :-) Zum Ende möchte ich auch nichts verraten – nur: mir hat die Auflösung sehr gefallen und ich fand sie sehr stimmig.

Mir erschien das Buch sehr gut recherchiert und das bezüglich einiger Kleinigkeiten, so wird sogar der saarländische Dialekt und Lebensgefühl authentisch geschildert. Nett fand ich die DDR-Volksweisheiten, Gedichte und Witze, die zwischen den einzelnen Kapiteln immer wieder die Geschichte aufzulockern wussten. Trotzdem musste ich schnell weiterlesen, da mich der Fortgang der Geschichte sehr interessierte. Am Ende befindet sich ein Glossar, der sehr hilfreich sein kann – zumindest für Wessis.

Die Überlegung, was sein könnte, wäre damals alles anderes gekommen, ist gelungen und hat mich überzeugt. Zudem ist das Buch sehr actionreich und bietet Einblicke in menschliche und politische Abgründe. Allerdings muss man ein gewisses Interesse mitbringen und auch manche Szene, die aus einem amerikanischen Actionfilm stammen könnte, verkraften können.