Die perfekte Frühlingslektüre

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s.edelfrau Avatar

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Obwohl ich im Münchner Umland wohne, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich noch nie auf der Roseninsel im Starnberger See war. Das wird sich nun aber definitiv ändern, denn bereits das Wenige, das ich in einer Leseprobe dieses Romans auf dem Portal Vorablesen über die Insel gelesen habe, hat mich neugierig gemacht auf mehr.

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen: In der Gegenwart verlässt die junge Ärztin Liv Hals über Kopf ihre Heimat Berlin, um vier Wochen lang als Krankheitsvertretung die Stelle des Verwalters der Roseninsel einzunehmen. Sie hat sich dafür ganz spontan entschieden, weil ihr Bedürfnis, auf eine einsame Insel zu fliehen, übermächtig wurde. Man ahnt bereits, dass Liv etwas Schreckliches zugestoßen sein muss, mit dem sie nicht fertig wird, schon gar nicht in Berlin, wo sie offensichtlich alles an dieses schreckliche Geschehen erinnert. Auf der Roseninsel will sie nun endlich zur Ruhe kommen.

Doch schon am zweiten Tag entdeckt sie durch einen Zufall ein Tagebuch, dessen Vorwort aus dem Jahr 1913 stammt. Die darin geschilderten Ereignisse beginnen bereits im Jahr 1889 und sind aus der Sicht von Magdalena geschildert. Anders als Liv, die freiwillig auf die Roseninsel gekommen ist, wurde Magdalena dorthin verbannt und wird wie eine Gefangene gehalten, wenngleich wie eine sehr gut umsorgte Gefangene. Offensichtlich ist sie eine uneheliche Tochter des bayerischen Königs Otto. Der jedoch ist wegen seiner Geisteskrankheit regierungsunfähig, weshalb sein Onkel, Prinzregent Luitpold, die Regierungsgeschäfte übernimmt. Weil Magdalena ihrem Vater so ähnlich sieht, will Luitpold sie aus dem Weg haben.

Nach den gut 60 Seiten der Leseprobe war ich definitiv heiß darauf, die ganze Geschichte zu erfahren! Ich war gespannt, welches Geheimnis Liv umgibt und ob Magdalena die Insel irgendwann wieder verlassen darf. Und so habe ich mich sehr gefreut, als ich dann tatsächlich das Rezensionsexemplar bekam und gleich weiterlesen konnte. Leider gestalteten sich aber die nächsten Kapitel, die in der Vergangenheit spielen, erstmal recht zäh. Die gähnende Langeweile, die Magdalena auf der Roseninsel verspürt hat, übertrug sich beim Lesen auf mich: Da passierte einfach… nichts.

Interessanter waren da schon die Kapitel um Liv in der Gegenwart. Immer gespannter wartete ich darauf, endlich hinter ihr Geheimnis zu kommen und zu erfahren, was sie so traumatisiert hat, dass sie sich ganz allein auf dieser einsamen Insel verkriecht. Und dann gerät auch in Magdalenas Leben endlich einiges in Bewegung, als eine Gruppe von Archäologen auf die Insel kommt. Zum Schluss wird es sogar noch richtig dramatisch und es passiert etwas, womit ich nicht gerechnet hätte.

So fand ich den Roman letztlich doch noch sehr spannend und unterhaltsam und ich habe dabei wieder einmal viel gelernt. Zwar ist die Figur der Magdalena fiktiv, nicht aber Prinzregent Luitpold und König Otto von Bayern (der übrigens der Bruder des „Märchenkönigs“ Ludwig II. war). Und tatsächlich gibt bzw. gab es auf der Roseninsel einige archäologisch hochinteressante Funde, denn hier finden sich noch Reste einer prähistorischen Pfahlbauten-Siedlung. Noch ein Grund mehr, warum ich nun erst recht unbedingt mal dorthin will!

Als Münchnerin habe ich allerdings noch ein paar klitzekleine Kritikpunkte: Nach Feldafing am Starnberger See fährt kein Bummelzug, sondern die S-Bahn von München. In München selbst fährt die Tram oder meinetwegen auch die Straßenbahn, aber keine Stadtbahn, diesen Begriff kennt hier niemand. Zum Thema Bier: Weißbier wird nicht, wie im Buch beschrieben, im Krug ausgeschenkt, sondern in einem hohen schmalen Glas. Und dann fällt im Buch auch noch sinngemäß dieser Satz: „Lass uns trinken, bevor das Bier kalt wird.“ Hallo? Selbst ich, die ich kein Bier mag, weiß, dass es kalt sein muss, weil es warm nicht schmeckt.

Anna Reitner ist übrigens ein Pseudonym, dahinter verbirgt sich eine deutsche Autorin, die laut der spärlichen Verlagsinfos im Süden Deutschlands lebt und sich besonders für die bayerische Geschichte des 19. Jahrhunderts interessiert. Auf der Verlagshomepage findet man übrigens auch eine Leseprobe des Romans. Und dann möchte ich hier noch auf einen Artikel meiner Kollegin Carolin Fries hinweisen, die für die Süddeutsche Zeitung über die Rosen auf der Roseninsel geschrieben hat. In diesem Artikel findet sich auch ein Foto der Rose „Souvenir de la Malmaison“, die im Roman eine Rolle spielt.