Mord im Rotlichtviertel

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Eine Tänzerin wird im Varieté ermordet. Für den erst seit kurzer Zeit wieder an Land arbeitenden Schutzmann-Anwärter Heinrich Hansen ist das der erste Fall. Nach einer Familientragödie hatte er Hamburg zunächst verlassen. Doch jetzt fühlt er sich berufen, als Kriminalpolizist für Recht und Ordnung zu sorgen. Bei seinen Ermittlungen trifft er auf einige Freunde seiner Kindheit, die ihn immer wieder an eine vergangene Zeit erinnern.

Der Auftakt zur Trilogie um Heinrich Hansen beginnt recht gemächlich. Der aus der Marine ehrenhaft entlassene Unteroffizier soll fortan bei der Hamburger Kriminalpolizei tätig sein. Robert Brack führt seine Leser mit dieser Figur in die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts im Vergnügungsviertel Sankt Pauli ein. Er beschreibt das Flair der bunten Leuchtreklamen auf der Reeperbahn, lässt die dunklen Ecken in den Hafenkneipen erahnen und fügt seine Nebenfiguren im Mietshaus von Frau Schmidt hinzu. Der bereits im Prolog verübte Mord an der Tänzerin führt Hansen in die verruchten Gegenden der Hansestadt. Entdeckt wird das Kapitalverbrechen aber erst im vierten Kapitel, sodass dem Leser viel Zeit gegeben wird, sich in die Umgebung einzufinden.

Auch sprachlich wird das Flair intensiv eingefangen, sodass man sich sofort in das frühe 20. Jahrhundert der norddeutschen Hafenstadt versetzt fühlt. Die Figuren werden ausreichend gezeichnet, sodass man Verständnis für die Beweggründe aufbringen kann. Gerade auch die Rückblicke in Hansens Jugend lassen Rückschlüsse auf die Verstrickungen zu. Auch hier wird immer wieder ein prägnantes Ereignis angedeutet, dass sich erst nach und nach erschließt.

Eine weitere Stärke des Kriminalromans ist die Schilderung der Gesellschaft während der Kaiserzeit. Die Opfer und Verdächtigen kommen aus allen Schichten und verdeutlichen, welche Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen herrschten. Leider liegt hier auch die Schwäche des Romans verborgen. Zu viele Klischees lassen schnell erahnen, aus welchem Umkreis der Täter kommen muss. Nicht immer haben nur die barfüßigen Gassenjungen oder Hochstapler etwas zu verbergen. Diese Figuren prägten seinerzeit jedoch das Stadtbild, sodass sie unbedingt ihren Platz im Buch finden mussten. Interessant ist, dass der Protagonist selbst sechs Jahre nicht in der Stadt gewesen ist und somit mit neugierigem Blick durch die Kulisse läuft. Insofern ist der Krimi nicht nur für Kiez-Kenner interessant, sondern auch für historisch Interessierte.

Nach diesem ersten Band hat sich Hansen seinen Platz bei der Kriminalpolizei erarbeitet. Der manchmal recht träge verlaufende Fall hat mich weniger wegen seiner Ermittlungen, sondern mehr wegen seines Gesellschaftsporträts fasziniert. Die Anfänge in der Daktyloskopie lagen in dieser Zeit, die die Geschwindigkeit der Aufklärung von Mordfällen vorangetrieben haben. Insofern ist das Erzähltempo entschuldigt und der zweite Teil bekommt auf alle Fälle eine Chance. Virginia Doyle ist das Pseudonym des Hamburger Autors Robert Brack, unter dessen Namen die Bücher bereits 2005 erschienen sind.