Atmosphärischer Familienroman mit Tiefgang

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Grete Hansen hat ihr Elternhaus nie verlassen. Schon immer lebt sie mit ihrer Mutter Wilhelmine in dem kleinen Dorf in der Elbmarsch, mitten in der Natur, nun als Vogelwartin verantwortlich für die Vögel im Naturschutzgebiet. Ganz anders ihre Schwester Freya, mit der sie früher ein Herz und eine Seele war. Freya zog es weg nach Berlin, wo sie erfolgreich ein Unternehmen leitet. Als Mutter Wilhelmine erkrankt, lässt Freya alles stehen und liegen und eilt nach Hause. Eigentlich zieht es sie schon länger zurück in die wohltuende, gemächliche Ruhe der Elbmarsch. Doch alte Wunden brechen wieder auf, als die beiden Schwestern zusammentreffen. Auch Gretes Tochter Anne reist an, um bei der kranken Großmutter zu sein, die nun, da es bald an der Zeit ist zu gehen, ganz dringend noch eine Nachricht an ihre Töchter loswerden muss.

Mir hat die Geschichte um die vier Frauen, die so viel miteinander verbindet, sehr gut gefallen. Trotz des ruhigen Erzählstils und der entschleunigenden Atmosphäre des Buches habe ich die Geschichte regelrecht verschlungen. Dabei waren es nicht einmal die Familiengeheimnisse, die es zu enthüllen gilt, sondern vielmehr der Umgang der Frauen miteinander, mal umeinander schleichend, mal explosiv und doch immer wieder auf Versöhnung gerichtet.

Romy Fölck schreibt einfühlsam und sprachlich versiert. Ihre Naturbeschreibungen vermitteln ein authentisches Gefühl für die Gegend. Man hört das Rufen der Wasservögel, das Rauschen der Bäume und das leise Summen der Insekten. Die Liebe zur Natur und insbesondere der Elbmarsch ist überall zu spüren. Aber auch die Szenen in Gretes Küche sind mir nachhaltig im Gedächtnis. Denn wenn sie Brot backt, hat man den Duft nach Frischgebackenem sofort in der Nase und möchte sich am liebsten sofort an den Küchentisch setzen, um davon zu probieren.

“Die Rückkehr der Kraniche” trägt ein wenig Lebensweisheit in sich und die Frage, was man noch erreichen will und ob es einen Punkt gibt, an dem es dafür zu spät ist. Die vier interessanten und sehr verschiedenen Protagonistinnen müssen sich entscheiden, was abgeschlossen werden muss, um zu heilen und so wird jede auf ihre Weise den eigenen Weg finden. Der Fokus liegt dabei vor allem auf den beiden Schwestern Grete und Freya. Über Wilhelmine hätte ich so gern mehr erfahren. Ich bin sicher, sie hätte noch so viel zu erzählen gehabt. Sehr gut gefallen hat mir, wie Romy Fölck leise anklingen lässt, welche Auswirkungen des Krieges auf die nachfolgenden Generationen noch immer bestehen – ein Thema, das durch die “Kriegskinder- und Kriegsenkelforschung” inzwischen mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Romy Fölck hat ja bereits in ihren Elbmarschkrimis bewiesen, dass sie ein (Schreib-)Händchen für atmosphärische Naturbeschreibungen hat. Bei “Die Rückkehr der Kraniche” konnte sie nun aus dem Vollen schöpfen, sodass ich mich bei Lesen richtiggehend entschleunigt gefühlt habe. Auf den nächsten Elbmarschkrimi freue ich mich natürlich trotzdem schon sehr!

© Tintenhain