Berührende Familiengeschichte

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Drei Frauengenerationen – Mutter Wilhelmine, die beiden Schwestern Grete und Freya sowie Anne, Gretes Tochter – treffen in ihrem alten Haus aufeinander. Während Grete immer hier in der Elbmarsch lebte, war Freya schon bald weg, sie hat sich in Berlin ihr Leben eingerichtet. Auch Anne ist schon lange ausgezogen, Wilhelmines Schwächeanfall hat sie alle wieder hierher verschlagen.

Ganz und gar unterschiedliche Lebensentwürfe prallen regelrecht aufeinander. Freya steht vor einem Scherbenhaufen – ihr Freund hat sie verlassen, mit ihrer Firma steht es nicht zum Besten und nun steht sie vor ihrer Schwester, die mit ihrem Besuch so gar nicht gerechnet hat. Ist es wirklich der schlechte Gesundheitszustand der Mutter, der Freya in das Haus ihrer Kindheit hat kommen lassen? Und Grete, die als Vogelwirtin ein verlockendes Angebot erhält - wird sei es wagen, neue Wege zu beschreiten? Zu ihrer Tochter Anne gab es von jeher eine Distanz, die wie eine unsichtbare Wand zwischen den beiden stand und immer noch steht.

Die Mutter hat ihre Töchter alleine großgezogen, der Vater ist schon lange tot. Es war kein Zuckerschlecken, Wilhelmine ist darüber hart geworden, konnte ihre Liebe nie richtig zeigen. Hat sie diese Distanziertheit an die nächste Generation weitergegeben? Viel haben sie sich wohl nicht zu sagen, Grete hat ihre Erfüllung in der Natur gefunden, ihr Beruf ist Berufung für sie. Und Freya liebt ihr Großstadtleben.

Romy Fölck ist eine unaufgeregte Erzählung gelungen, die genau beobachtet. Die Charaktere sind authentisch, werden ungeschönt in all ihren Unzulänglichkeiten dargestellt. Eine Familie, wie es sie viele gibt. In alle Winde verstreut, man kennt sich und doch ist keiner dem anderen wirklich nahe, weiß um dessen Leben. Die Umstände erfordern es, dass man sich doch öffnet, auch wenn es weh tun mag. Auch die Landschaft ist in ihrer Ursprünglichkeit gut beschrieben, die Rückkehr der Kraniche auf Gretas Ostseeinsel hatte ich vor Augen…

…ihre Rufe waren direkt zu hören. Und dafür hat Tessa Mittelstaedt gesorgt, die das Hörbuch vom Argon Verlag gekonnt vorgetragen hat, die Stimmungen gut einzufangen wusste. Jeder der vier Frauen hat sie ihre individuelle Note gegeben, das Hören war durchweg angenehm.

Den Alltag leben Wilhelmine und Grete im Einklang mit der Natur, sind weitgehend Selbstversorger, für Träume und ein ausschweifendes Leben war nie Platz. Der andere wird stillschweigend toleriert, vieles bleibt ungesagt. So auch bei den Hansen-Frauen. Dass jede so ihre Geheimnisse hat, gärt unter der Oberfläche. Lange habe ich auf Wilhelmines Geschichte gewartet, auch Grete rückt endlich mit der Wahrheit heraus.

Eine Familiengeschichte, leise und doch kraftvoll erzählt. Eingebettet in eine Landschaft voll sprödem Charme - ein Blick auf das gelungene Cover verstärkt diesen Eindruck.