Schon Besseres gelesen

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sonnenwind Avatar

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Geschafft! Ich habe es wirklich fertiggebracht, dieses Buch zu Ende zu lesen!

Den Vorgängerband habe ich nicht gelesen. Mag sein, daß ich dadurch weniger Zugang zu den Protagonisten gefunden habe, aber ich werde die Lektüre nicht nachholen.

Anfangs hätte ich fast aufgegeben. Das Buch macht den Eindruck, als sei es von der Zeitung mit den großen Buchstaben gesponsert, um ihre Leser an anspruchsvollere Literatur heranzuführen. Wäre noch ein einziges Mal das Schlagwort: "Nenn mich nicht Loki!" gefallen, wäre das Buch in die Ecke geflogen. Zum Glück endet die Existenz dieses wortgewandten Bösewichts relativ frühzeitig.

Auch die Kommissare halten ihre Kommunikation - selbst in direkter Umgebung der Leiche - auf einem Niveau weit unterhalb einer normalen Umgangssprache. Im weiteren Verlauf wird das weniger auffällig. Oder stumpft man als Leser nur ab?

[SPOILER]In einem der spannendsten Abschnitte des Buches unternimmt der vorgesetzte Kriminalbeamte zum Zweck der Observierung einer verdeckten Ermittlung einen Waldspaziergang mit seinem Dackel, den er ausnahmsweise mal selbst ausführt. Dabei wird er von einem "Halunken", dem er gerade wenig subtil nachzuschleichen versucht, überwältigt und gefesselt, woraufhin besagter Kampfdackel dem "Bösewicht" seine Zähne ins Bein schlägt und ihn verjagt. Dieses Geschehen wird in epischer Breite von einer guten halben Seite goutiert.[/SPOILER]

Die Kapitel sind - wie schon von mehreren erwähnt - eher kurz. Das wohl beeindruckendste Beispiel ist die Beschreibung des Vorgangs, als einer der Kriminalbeamten den Deckel seines vor sich hinkochenden Abendessens hebt. Dieses Geschehen umfaßt sechs Zeilen plus drei Wörter. Hat aber eine eigene Kapitelüberschrift - wie jedes andere Kapitel auch -: "fast perfekt", was dem weniger geübten Hobby-Kriminaler zu der Erkenntnis verhilft, daß das Essen bald fertig ist.

Grundsätzlich ist nichts gegen kurze Sinnabschnitte zu sagen, auch wenn es mitunter den Lesefluss erheblich stört. Zumal in Verbindung mit diesem Überschriftenwahn. Ein Sternchen zwischen den Sinnabschnitten hätte es auch getan. Beim vorliegenden Text habe ich diese Arbeitsweise aber sehr begrüßt, bietet sie doch in relativ angenehmen Einheiten von ein bis drei Minuten die Möglichkeit, eine Pause bei der Lektüre einzulegen. Was ich auch immer wieder genutzt habe.

Am Anfang häufiger, gegen Ende zum Glück nachlassend, werden Gedichte eingestreut, die der Feder eines der Kriminalisten entspringen sollen. Deren Qualität ist aber mindestens genauso fragwürdig wie die des ganzen Buches. Nachdem sie in aller Regel auch wenig zum Plot beitragen, dienen sie wohl eher dazu, die vielen leeren Seiten zu füllen.

Überhaupt findet die Handlung bröckchenweise an verschiedenen Orten statt, selten mit Bezug zur polizeilichen Ermittlung, dagegen häufig im Privatbereich der Ermittler. Die Persönlichkeiten gewinnen dadurch aber kaum an Profil, die Charaktere bleiben blaß, die Handlungen unmotiviert. Selbständig handelnde Ermittler ist man ja schon gewohnt, und das kann auch sehr angenehm sein. [SPOILER]Wenn allerdings Kriminalbeamte nachts und teils außerhalb des Dienstes mit einem Nackten Fassadenkletterei betreiben, ist das doch ein wenig zweifelhaft.[/SPOILER]

Spannung versucht der allwissende Erzähler vorzugsweise durch Fragen zu erzeugen, was aber in der Regel ins Leere läuft (fünf rhetorische Fragen, als der observierende Kriminalbeamte eine SMS möglicherweise vom zu beschützenden Objekt verschläft); sprachliche Highlights sucht man ebenfalls vergeblich. Die interessanteste Person im Buch ist wohl der Hund, der dem einen Kriminalbeamten gehört, aber ständig an den anderen abgetreten wird, dem das aber nicht viel ausmacht, weil er sich dadurch einen Fuß in der Tür bei den Damen verspricht. Alles in allem würde ich sagen: Ein Buch für den Notfall, wenn sich kein anderes mehr im Schrank findet. Allerdings ist die Lektüre nach meiner Erfahrung eine ausgezeichnete Einschlafhilfe. Immerhin!