Ein Leben verpasster Gelegenheiten

Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
hmich Avatar

Von

Yasmina Khadra ist mit seinem Roman "Die Schuld des Tages an der Nacht" ein sprachliches Meisterwerk gelungen. In schöner gesetzter Prosa führt er den Leser durch die Lebensgeschichte von Younes, eines algerischen Jungen, der als Sohn eines später verarmten Bauern geboren, von seinem Onkel, einem Apotheker aufgezogen wurde und so in die französische Kolonialgesellschaft Algeriens vor dem 2. Weltkrieg hineingewachsen ist. Als einziger Araber wird er zwar nach einigen Repressionen in seiner Jugendzeit von seinen französischen Freunden als Jonas akzeptiert, fühlt sich jedoch immer ein bisschen fremd und ist stets bemüht, das Wohlwollen seiner Freunde nicht zu verspielen. Der gleiche alles umfassende Ehrbegriff, der seinen Vater einst davon abhielt, die Hilfe seines Bruders anzunehmen und ihn so zugrunde richtete, wird auch Jonas zum Verhängnis. Als Emilie, die allen seinen Freunden den Kopf verdreht hat, sich ihm buchstäblich zu Füssen wirft, weist er sie ab, dem Versprechen treu, das er ihrer Mutter gegeben hatte, ihre Tochter nicht anzurühren. Zudem schien sie zu jenem Zeitpunkt mit einem seiner Freunde liiert zu sein, ein weiterer Grund dafür, das sie für ihn unantastbar blieb. Als er viele Jahre später nochmal einen Versuch wagt, sie zurückzugewinnen, lehnt sie ab. Als sich Jahre später - Younes ist bereits 80, hat geheiratet, drei Kinder und mehrere Enkel - treffen sich die alten Freunde anlässlich der Beerdigung von Emilie wieder. Ein Brief, den sie ihm hinterließ, söhnt ihn mit seiner Vergangenheit aus und er fährt zufrieden wieder in seinem Heimat.

Das erstaunlichste an diesem Buch ist die kühle Art und Weise, in der Jonas beschrieben wird - alle Ereignisse und Emotionen, die in ihm toben sollten, scheinen irgendwie an ihm abzuprallen. Er wirkt wie eine Figur hinter Glas, immer gedämpft, zurückhaltend, den inneren Sturm nach aussen verbergend. Diese scheinbare Unberührbarkeit wird vor allem durch seine Unfähigkeit, Gefühle zu kommunizieren erzeugt, selbst in den emotionalsten Momenten reagiert er nur mit Schweigen.

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, dessen Lektüre ich nicht zuletzt wegen der Sprache sehr genossen habe!