Jonas oder Younes – Leben zwischen den Welten

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mammutkeks Avatar

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In "Die Schuld des Tages an die Nacht" erzählt Yasmina Khadra die Geschichte von Younes, der in der gemischten algerischen Welt auch Jonas genannt wird. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um die algerische Unabhängigkeit von Frankreich – die 1962 auch erreicht wurde – wird sein Lebensweg dargestellt. Dabei liegen die Schwerpunkte auf der Vertreibung vom Lande nach Oran in seiner Kindheit, sein Aufwachsen bei Onkel und Tante im gutbürgerlichen Oran sowie der Zeit als junger Mann in Rio Salado.

 

Hauptthemen sind Familie, Freundschaft und Liebe – in ihren verschiedensten Ausprägungen. Allerdings ist Jonas in Sachen Liebe nicht gerade erfolgreich – er verleugnet die Liebe seines Lebens, ohne sie je zu vergessen. Dabei hatte der Onkel doch so treffend gesagt: "Sonnenuntergänge, Frühlingserwachen, Sternenhimmel und Meeresblau, all die Dinge, die uns gemeinhin so ergreifen, entfalten nur dann ihren Zauber, wenn in ihrem Mittelpunkt eine Frau steht, mein Junge … Denn die Schönheit, die einzig wahre, vollkommene und alles überragende Schönheit, das ist die Frau. Der Rest, der ganze Rest ist nichts als Beiwerk."

 

Immer präsent ist auch die wechselnde Geschichte Algeriens – mit den Unruhen im zweiten Weltkrieg, in dem alliierte Truppen in Algerien einfallen, um die mit Deutschland kollaborierende Vichy-Regierung zu treffen. Später spielt dann die Unabhängigkeitsbewegung Algeriens eine wichtige Rolle. Jonas bezieht zwar im Gegensatz zu seinem Onkel keine öffentliche Stellung, unterstützt die Rebellen aber.

 

Interessant, wenn auch nicht vordergründig, ist der andauernde innere Konflikt in Jonas/Younes, zu welcher Kultur er gehört. Sind seine Freunde alle französischer Abstammung und gehören deren Kulturkreis an, so schlägt sein Herz für die algerische Bevölkerung. Gleichzeitig kritisiert er die krasse Grenzziehung, die er wie folgt beschreibt:

 

"Städte und Dörfer versanken im Alptraum aller Alpträume. Die Kette der Attentate und Vergeltungsschläge, der Morde, Entführungen und Überfallkommandos riss überhaupt nicht mehr ab. Wehe dem Europäer, der sich mit einem Muslim blicken ließ, wehe dem Muslim, der sich mit einem Europäer einließ. Demarkationslinien isolierten die einzelnen Gemeinschaften, die sich nur noch vom Herdentrieb leiten ließen, Tag und Nacht ihre Grenzen bewachten und ohne viel Federlesens jeden lynchten, der an die falsche Adresse geriet."

 

Insgesamt ein wunderbarer Roman über Familie, Freundschaft, Liebe – nicht immer ganz leicht zu lesen, manchmal wünschte man sich ein Register mit Erklärungen unbekannter Begriffe und historischer Zusammenhänge. Keine leichte Kost, aber unbedingt lesenswert!!