Ein Gesellschaftsroman mit Suchtfaktor

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kultaa Avatar

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Sandra Lüpkes ist mit "Die Schule am Meer" ein eindringlicher, mitreißender Gesellschaftsroman gelungen, den man nur schweren Herzens wieder aus der Hand legt, was zur Folge hatte, dass ich das Buch mit seinen ja doch stattlichen rund 570 Seiten nach einem Wochenende durch hatte. Lüpkes nimmt uns in ihrem Roman mit auf die Insel Juist im Zeitraum 1925-1933. Wir sehen einer Schule im Entstehen zu, die mit Idealen den widrigen Bedingungen und der verschrobenen Art der Insulaner versucht zu strotzen, um Kindern aller Art ein Zuhause und einen Ort zu bieten, der sie in ihrer Individualität bestärkt. Dennoch ist es bei weitem kein Werk, das sich in pädagogischen Ausführungen und Idealen verliert, vielmehr schafft Lüpkes es, uns ihren Charakteren näher zu bringen, sie in all ihren Stärken und Schwächen zu zeigen. Unterstützt wird dies dadurch, dass die Perspektive in den Kapiteln wechselt. Die Geschichte wird abwechselnd aus Sicht der verschiedenen Protagonist*innen erzählt und Lübkes schafft es, jeder Person ihre eigene Stimme und ihre eigene Sicht zu geben. So wachsen sie einem alle auf ihre eigene Art ans Herz und mit fortschreitenden Jahren breitet sich nicht nur auf der Insel, sondern auch beim Leser immer größeres Unbehagen auf. Denn man weiß ja, was kommt, auf welchen Abgrund der deutschen Geschichte die Protagonist*innen zusteuern, dass nach dem Abitur bei weitem nicht die rosige Zukunft auf die Schüler*innen wartet, die man ihnen so gerne geben würde. Verstärkt wird dies natürlich dadurch, dass die gesamte Geschichte auf einer detaillierten und umfangreichen Recherche der Autorin über die echte Schule am Meer beruht und somit viele Figuren und deren Schicksal belegt ist.

Ich konnte das Buch nach kürzester Zeit nicht mehr aus der Hand legen, habe mit den Protagonist*innen gelacht, geweint, gehofft und mit spätestens dem dunklen Jahr 1933 Gänsehaut bekommen und manchmal fast den Wunsch gehabt, die Zeit zu konservieren, indem ich einfach die letzten Seiten nicht mehr lese, mich nicht der Realität stelle, die eben auch Teil der Schule am Meer war und ist.