Bronia und Waslaw, Genie und Wahnsinn

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maxkolbe Avatar

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Ich bin schwer beeindruckt! Ich habe ein tolles Buch gelesen.
Es wurde alles geboten, tiefe Einblicke in die knallharte Welt des Balletts, Bruder- und Schwesterliebe, auch die Politik der Jahre bis 1939 hatte einiges zu bieten und die Liebe zum Heimatland Russland wurde immer wieder klar. Im bewährten Stachniak-Stil geschrieben hätte man immer weiter lesen können und ich hätte auch ein doppelt so dickes Buch gerne gelesen. Auch die Entwicklung von Bronia zur stärksten Geschwisterfigur war klasse, wie sagte ihre Mutter am Ende ihres Lebens...und ich wollte nicht, daß du geboren wirst...Wahrscheinlich ist sie ja grade wegen der Abtreibungsverusche ihrer Mutter, die sie alle überstanden hat, so stark geworden. Am Beispiel ihres Bruders kann man sehr schön beobachten, wie es gehen kann, wenn der Ruhm einen Menschen zu sehr belastet. Es ist auch unglaublich welche Wandlung die Form des Balletts genommen hat, was allerdings in Russland zuerst nicht möglich war.Sehr schön fand ich auch die polnischen Satzeinstreuungen, besonders zu Anfang, dadurch wird der eigentlich polnische Ursprung der Familie immer wieder betont.Von Bronia wird erzählt, daß sie drei Pässe besaß, einen polnischen, einen russischen und den Nansen-Pass für Emigranten.
Eine Empfehlung, wenn man googelt, kriegt man noch einiges mehr Wissen und sieht etliche Fotos von Bronia, ihrem Bruder und den anderen berühmten Charakteren, denen sie begegnet ist, wie zum Beispiel Strawinsky.
Zur Geschichte:
Waslaw, Stassik und die Jüngste Bronislawa sind die Kinder eines polnischen Tänzerehepaars, sie wachsen um 1900 in St. Petersburg auf und geraten früh in die Welt des Balletts.
Erzählt wird die Geschichte von Bronia, die sich im Oktober 1939 mit ihrem Mann und ihrer Tochter auf einem Schiff befindet, daß sie zuerst einmal nach New York bringen soll. Sie sind aus England geflüchtet, nachdem Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hat und die Theater geschlossen wurden. Eigentlich wollen sie sich einer Tourneegruppe nach Australien anschließen. Ob es soweit kommt, bezweifelt sie, denn wie sagt Mamusia, wir machen Pläne und Gott lacht! So ganz ungefährlich ist die Reise auch nicht, das Schiff wird abgedeckt, damit es aus der Luft nicht so leicht erkennbar ist. Um sich abzulenken schreibt sie ihre Geschichte auf.
Sie erzählt von einer bedingungslosen Liebe zu Waslaw, dem Strahlekind und Ballettkünstler der Familie. Sie schafft es, ihn zu ihrem Trainer zu machen indem sie viel aushält. Er hat ein aufbrausendes, überschäumendes Wesen und er kann sehr ausfällig werden, wenn man ihm nicht gerecht wird. Als Bronia ihren ersten richtigen Freund hat, kann er die Heirat aber nicht verhindern. Die unvorhergesehene Schwangerschaft läßt sie einige Zeit zweifeln, was wichtiger sei.
Durch ihr Kind und die Krankheit Waslaws ist sie gezwungen Geld zu verdienen und wird eine berühmte Choreographin. Fjodor Schaljapin verehrt sie, sie lernt Strawinsky und Tschaikowsky kennen. Leider erleidet sie das Schicksal ihrer Eltern in ihrer ersten Ehe!
Ab jetzt sollten sie unbedingt alleine lesen! Es sind noch soviel Fragen da. Welche Krankheit hat Waslaw, was passiert in ihrer ersten Ehe, wer ist Kolja und wer Lewjuschka. Zudem gibt es sehr tiefe Einblicke in die Politik und in die Welt des Balletts und ja, die russisch-polnische Seele habe ich auch gefunden. Danke Eva Stachniak.
Eine unbedingte Leseempfehlung nicht nur für Ballettliebhaber, St. Petersburg um 1920 ist einfach interessant.