Die Welt des russischen Balletts Anfang des 20. Jahrhunderts - faszinierend oder ermüdend?

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chaosbaerchen Avatar

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Die Leseprobe hatte mich sofort in ihren Bann gezogen, und die Stimme von Gabriele Blum ließ mich ebenfalls direkt eintauchen in die mir bis dato unbekannte Welt des russischen Balletts vor gut einem Jahrhundert.

Es geht um das ereignisreiche Leben der Balletttänzerin und Choreographin Bronislawa (Bronia) Nijinsky bis zu deren 48. Lebensjahr, das in das Jahr 1939 fällt.

Am 9. Oktober 1939, also einen Monat nach Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem deutschen Angriff auf Polen, befindet sich Bronia mit ihrem Mann und ihrer Tochter Irina auf der SS American Trader, die sie nach New York bringen soll. Nachdem Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hat, wurde Bronias Vertrag in London gekündigt und das dortige Theater geschlossen. Sie will nun nach Australien flüchten, wo sie als Choreographin für Wassili de Basil engagiert wurde. Auf dem Schiff ins Ungewisse lässt Bronia ihr Leben Revue passieren und zieht Bilanz.

Die gebürtige Polin verbringt ihre Kindheit um 1900 mit ihren Eltern und ihren beiden älteren Brüdern in St. Petersburg. Da beide Elternteile Balletttänzer sind, ist der Weg für Bronislawa und ihren Bruder Waslaw vorgezeichnet. Der dritte im Bunde – Stanislaw (Stassik) – ist nicht so begabt und das Problemkind der Familie, er geht einen anderen Weg. Bronia folgt ihrem zwei Jahre älteren Bruder Waslaw auf die kaiserliche Ballettakademie, bleibt aber stets in seinem Schatten, denn er ist der Star und bleibt es. Ihm steht die Welt offen – ihr nur bedingt…aber sie liebt ihren Bruder abgöttisch.

Man bekommt einen tiefen Einblick in die harte und unerbittliche Welt des russischen Balletts, einer im Grunde recht brotlosen Kunst, die nur dann Geld bringt, wenn man sich abhebt und die Zuschauer zu faszinieren in der Lage ist. Bronia ist sehr talentiert, aber Waslaw ist mehr als das. Und er ist sich dessen bewusst und hält seine Schwester kurz. Dennoch ist es letztlich Bronia, die Stärke beweist und deren Ehrgeiz und Ausdauer sich auszahlen – trotz aller Verluste und Niederlagen, die die einstecken musste.

Die 8 CDs mit einer Spielzeit von knapp 10 Stunden sind recht viel und die vielen polnischen und russischen Namen sowie der politische Hintergrund waren streckenweise recht verwirrend für mich, sodass ich dem Geschehen beim ersten Anlauf nur bedingt folgen konnte. Auch ist die Welt des Balletts nicht unbedingt ein von mir generell favorisiertes Thema. Dennoch habe ich das Hörbuch in recht kurzer Zeit zu Ende gehört (manche Stellen mehrfach) und muss zugeben, dass das Thema und die Biographie der Protagonistin mich letztlich mehr fasziniert als ermüdet haben.

Man erfährt eben nicht nur etwas über das Leben, sondern auch über die Zeitgeschichte, insofern war das Hörbuch definitiv eine Bereicherung für mich und ich kann es auch denen empfehlen, die geschichtlich über die Zeit des ersten Weltkriegs nicht umfassend informiert sind.

Wenn man die Namen googelt oder bei Wikipedia eingibt, erfährt man noch einiges mehr über die Familie Nijinsky und deren Zeitgenossen.