Aufbruch ins Morgen

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elohym78 Avatar

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Als ihren letzten Ausweg sieht die junge Louisa Cannon die Anstellung auf Mitford Manor als Kindermädchen an. Als letzte Möglichkeit, ihrem gewalttätigen Onkel und der drohenden Armut zu entkommen. In dem Zug, der Louisa zu ihrem Glück bringen soll, findet das Leben von Florence Nightingale Shore ein abruptes Ende. Die ehemalige Krankenschwester wird brutal ermordet. Der Mörder kann unerkannt fliehen, hat jedoch nicht mit dem Biss und Ehrgeiz von Guy Sullivan gerechnet, der heimlich von der ganz großen Karriere als Ermittler bei der Polizei träumt. Und während Guy und Louisa ihm langsam aber sicher immer näher kommen, ahnt keiner von ihnen, was wirklich hinter dieser schrecklichen Tat steckt...

1920: die Welt ist im Aufbruch! Doch gilt dies auch für junge Frauen aus der Unterschicht? Jessica Fellowes stellt sich dieser Frage mit Geschick, Einfühlungsvermögen und fundiert recherchiertem Fachwissen. Dies verbindet sie zu einem wunderbar spannenden und mitreißendem Kriminalroman, der das Lebensgefühl der Zwanzigerjahre widerspiegelt. Ich fühlte mich in diese vergangene Zeit versetzt und konnte das Gefühl der inneren Unruhe fast spüren. Das Klassendenken wird nach und nach aufgebrochen und Frauen sind mehr wert als die Summe ihre Kinder.
Bis zum Schluss rätselte ich, entwarf Theorien, verwarf diese wieder und stürzte mich auf einen neuen Täter. Ich liebe es, wenn Autoren ihren Lesern gedanklichen Spielraum lassen und nicht alles vorkauen. Trotzdem mag ich es auch, an der Hand genommen und geführt zu werden, mich in die Handlung fallen zu lassen und nicht permanent nachdenken zu müssen. Diese Mischung ist Fellowes meisterhaft gelungen. Während ich im kriminaltechnischen Teil grübelte, ließ ich mich im historischen einfach treiben und genoss die bildlichen Schilderungen der Autorin.

Auf der einen Seite wird das Leben von Louisa Cannon geschildert. Sie stammt aus der Unterschicht oder besser gesagt Mittelschicht. Ihre Mutter ist Wäscherin, der Vater Schornsteinfeger. Ihren Weg hat sie noch nicht gefunden, obwohl sie eine Schulbildung genossen hat. Doch Krieg und die Unbilden des Lebens kreuzen Louisas Weg. Als sich die Möglichkeit ergibt, Kindermädchen in dem renommierten Anwesend Mitford Manor zu werden, setzt sie alles daran, diese Stelle zu bekommen. Statt wie sonst hin und her geschupst zu werden und sich von einem Mann das Leben bestimmen zu lassen, zeigt Louisa Rückgrat und Charakterstärke und kämpft für ihren Traum. Ich finde es wunderbar, diese Entwicklung miterleben zu dürfen! Wie von einem kleinen, unscheinbaren Mauerblümchen eine selbstsichere Blume erwächst.
Diese Kraft gibt ihr zum Teil auch die junge Nancy Redesdale. Eigentlich Louisas Schützling, überwindet die junge Adlige jedoch den Klassenunterschied und sucht die Freundschaft. Das gelingt nicht ganz und auch nicht immer, aber der Wind der Veränderung ist auch hier deutlich zu spüren.
Unterstützung und Liebe erfährt sie in dem jungen Ermittler Guy Sullivan. Guy hat nur einen Traum: Weg von der Bahnpolizei und als Ermittler bei der Met einen Posten ergattern. Und wie auch Louisa, kämpft er unaufhaltsam für sein Ziel. Schön finde ich, dass beide nicht rücksichtslos sind, sondern stets auf das Wohl ihrer Mitmenschen achten und deren Grenzen respektieren. Sie zeigen dort Charakterstärke, wo andere versagen.

Mein Fazit
Ein packender Kriminalroman mit mehr als einem Funken Wahrheit.