Die Seiten der Welt – der beste Geruch der Welt

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stefan_c Avatar

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**Cover:** Das Cover ist beeindruckend und weckt sofort die Neugier des Betrachters. In schwarz und einem orange-kupfer Ton gehalten, wird es dominiert vom Titel und wie bei einer Manage steht der Autorenname in einem leichten Bogen darüber. Auf den ersten Blick ist es überbordet von Linien, gerade und geschwungen. Erst bei genauerer Betrachtung ist jedoch einiges zu entdecken. Man sieht die Erdkugel aus der Weltraumperspektive, umringt von Wolken, Strahlen gehen von ihr aus. Auf dem Bogen mit dem Namen des Autors entdeckt man rechts drei alte Bücher und auf der linken Seite eine Schreibfeder. Origamis, „kunstvoll gefaltete Wunderwerke aus Papier“ sind zu sehen. Im oberen Drittel vom Cover hängen zart strukturierte Flügel herab. Es ist als würde man in einen lange Zeit verschlossenen Raum hineinblicken, einen Raum voller Geheimnisse. **Leseeindruck:** Die Leseprobe fängt gleich mit einer Aussage an, die jeder Bücherfreund unterstreichen kann: **„der beste Geruch der Welt“** geht von alten Büchern oder Bibliotheken aus. Furia Faerfax, 15 Jahre jung, lebt zusammen mit ihrem Bruder Pib, ihrem Vater Tiberius und dem „Hausmeister“ Wackford, in einer Residenz in den grünen Tälern von Cotswalds. Errichtet wurde das Anwesen auf den Ruinen einer ehemaligen Römersiedlung, auf den Katakomben, die jetzt eine unerschöpfliche Bibliothek, in der die Bücher dicht an dicht in unzähligen Gängen und Nischen aufbewahrt werden. **„In der Bibliothek herrscht eine Stille wie im Weltraum und vielleicht war diese Bibliothek genau das: ein ganzes Universum von Welten, die noch entdeckt werden wollen“.** Hier kann man schön das Coverbild darauf ableiten. Die Bibliothek war wie ein Labyrinth verzweigt, wie eine Baumwurzel, es gab immer neue Wege und engere Spalten, es gab Bücher über Bücher zu entdecken. Furia ist, wie so oft, auf dem Weg in die Bibliothek, obwohl es ihr mit ihren 15 Jahren verboten ist diese allein zu besuchen. Der Eingang wird von einer massiven, silbern schimmernden Eisentür versperrt. Die Tür hat eine leichte Wölbung, als hätte „etwas oder jemand“ versucht mit Gewalt die Tür von innen zu durchbrechen. Wackfort öffnet Furia die Tür, bittet sie aber wie immer vorsichtig zu sein. Sie ist wie so oft auf dem Weg zu ihrem Lieblingsbuch „Fantastico Fantasticelli, der Herr des herbstlichen Halblichts“, aus dem ihr ihre Mutter immer vorgelesen hatte. Sie hat es abseits des Hauptweges vor ihrem Vater versteckt, der aus Trauer über den Verlust seiner geliebten Ehefrau, jede Erinnerung an Sie zerstört. Als sie die Bibliothek betritt schlägt ihr gleich der Bücherduft entgegen. Er ist überwältigend und weckt in ihr einen Heißhunger auf neue Geschichten. Aber sie ist auch auf der Suche nach „ihrem Seelenbuch“, wobei das Seelenbuch natürlich Furia finden muss, um sie zu einer vollwertigen **Bibliomantin** zu machen. Furia folgt dem Hauptweg ins Innere der Bibliothek. Sie hört kaum ihre eigenen Schritte auf dem alten Steinboden, fast jeder Laut wird von den Büchern geschluckt. Der Hauptweg wird von einer dürftigen Lichterkette, in regelmäßigen Abständen beleuchtet. Die Bibliothek war voller Geheimnisse und wundersamer Dinge, doch sie weigerte sich Angst vor diesen zu haben. Ihr Lieblingsbuch „ Fantastico Fantasticelli“ war das erste Buch vom Autor Siebenstern, einem Pseudonym eines ihrer Vorfahren. Ihr Vater versucht schon lange dieses Buch zu finden, eine fixe Idee damit eine der letzten Erinnerungen an seine Frau zu vernichten. Furia ist nicht allein in der Bibliothek. Unzählige Origamis, kunstvollgefaltete Wunderwerke aus Papier, kauern auf den Büchern. Ihre Aufgabe war es den Staub auf den zum Teil vergilbten Büchern zu fressen. Die Origami-Vögel wurden eigens von Furias Vorfahren gezüchtet, um das Einstauben der Bücher einzudämmen. Sie waren wie Parasiten, vermehrten sich unkontrolliert, hüpften und krabbelten wie bizarre Insekten auf den Büchern. Furia fällt sofort die große Ansammlung von ihnen auf, normalerweise sieht man nicht so viele zusammen. Das Buch hat sie in einem der zahllosen Seitengänge versteckt. Als sie es endlich erreicht, beginnt sie sofort darin zu lesen. Ein Knistern unterbricht ihre Lektüre. Jede Menge Buchstaben flitzen über den Boden, es sind die von ihr so genannten **„Ypsilonzett“**. Die Buchstaben bauen sich direkt vor ihr auf und bilden Worte. Sie warnen Furia vor einem Schimmelrochen, einer Kreatur aus Schimmelsporen, größer als ein Kopfkissen und glänzend wie ein Ölteppich. Furia greift sich ihr Lieblingsbuch und folgt den Anweisungen der Ypsilonzett, rennt los, zwängt sich durch enge Wege, zwischen dicht stehenden Bücherreihen hindurch. Sie hört den Schimmelrochen, er kommt näher und näher. Er ist viel größer als der letzte dem sie begegnet war. Sie versucht den Abstand vor dem Rochen zu vergrößern, doch all ihre Bemühungen sind vergebens. Als sie stolpert schwebt der Rochen über ihr. Verzweifelt schleudert sie ein Buch in seinen Schlund, einige Ypsilonzett wollen sie beschützen und stellen sich dem Rochen in den Weg, werden aber von diesem einfach aufgesaugt. Verzweifelt rammt sie ihre Faust in den Schlund des Schimmelrochens, spürt die weiche Masse der Schimmelsporen und bringt ihn so zu Fall. Sie trampelt so lange auf ihm herum, bis nur noch ein milchiger Film, stinkend nach Fäulnis und Moder, zurückbleibt. Sie sinkt erschöpft und glücklich zu Boden, selbst die Origami scheinen einen Freudentanz aufzuführen. Später, zurück in ihrem Zimmer, liest Furia erneut in ihrem Buch. Das gelesene wird wie in einem Film auf der Tapete verzögert wiedergegeben. Aber das ist nicht das einzige, außergewöhnliche in ihrem Zimmer. Ihr alter Ledersessel und ihre Leselampe können mit ihr reden. Warum und wieso konnte sie bis jetzt nicht herausfinden. Furia hat in ihrem Zimmer noch ein weiteres, besonderes Buch versteckt. Mit diesem Buch führt sie einen Dialog mit einem ihrer Urahnen, der noch unter dem Namem Rosenkrantz in Deutschland lebte. 1836 war die Familie von den Adamatistischen Akademie zerschlagen worden, die Überlebenden hatten in England, unter dem Namen Faerfax, neu angefangen und versteckten sich seither in den Wäldern von Cotswalds. Severin, 17 Jahre alt, hatte vor zweihundert Jahren von Furia geträumt und dieses sonderbare Buch für sie angefertigt. Mit Hilfe des Buches konnten sie sich austauschen und Furia berichtete ihm heute von dem Schimmelrochen und wie sie ihn besiegte. Hier endet leider auch schon die Leseprobe und lässt viele Fragen offen. **Fazit:** Wow, was für eine Leseprobe. Kai Meyer schafft es einen tief in das Buch und Geschehen hineinzuziehen. Er schreibt so leicht und aussagekräftig, man kann sich jedes Detail der Bibliothek vorstellen und sieht förmlich die endlosen Gänge mit ihren zahllosen Regalen vor sich. Die Origamis, Ypsilonzett und der Schimmelrochen kann man sich sehr gut vorstellen. Beim Lesen kommen einem gleich die Bücher von Walter Moers „die Stadt der träumenden Bücher und das Labyrinth der träumenden Bücher“ sowie die Tinten-Triologie von Cornelia Funke in den Sinn. Kai Meyers Buch scheint sich von Ihnen erfreulicherweise zu unterscheiden und man darf auf die Fortsetzung der Leseprobe mehr als gespannt sein. **Bibliomanti** ist eine Form der Wahrsagung/Deutung mittels Texten. Informationen darüber findet man im Internet, z.B. unter wiki-aventuriea.de.