Ein für mich überraschendes Jahreshighlight

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⇝ Vorsicht: eventuelle Spoiler. 🔱

𝐈𝐧𝐡𝐚𝐥𝐭 𝐮𝐧𝐝 𝐒𝐭𝐨𝐫𝐲𝐥𝐢𝐧𝐞
Wir schreiben den Anfang des 20. Jahrhunderts; genauer gesagt das Jahr 1908. Die Emanzipation der Frau steht noch in den Kinderschuhen - genau dies bemerkt auch die Protagonistin Emma. Die Gesellschaft belächelt und rügt sie für ihren Scharfsinn, ihre Neugier und ihren Traum: das Studieren an der Universität. Ihre Eltern hingegen möchten sie am liebsten schon am nächsten Tag mit Carl, dem Sohn eines Fuhrunternehmers, vermählen. Auch er hat einen Traum: das Gründen seiner eigener Fabrik, in der er sich auf die Produktion und Kreation von Senf fokussieren möchte. Was ist, wenn Emma und Carl sich tatsächlich trotz des Arrangements durch ihre Eltern gut verstehen und sie Carl mithilfe ihrer Kreativität und ihres Bisses bei seinem Traum aktiv unterstützen möchte? Schaffen es die beiden, ihre Träume zu verwirklichen und ihren Widersachern zu trotzen? Und welche Rolle spielt dabei der charmante und verführerische Freund Carls, der Franzose Antoine?
Was ein grandioser Auftakt der Senfblütensaga-Trilogie! Wie die Einführung und auch der Titel des Werkes anklingen lassen, spielt der Senf eine wichtige und durchgängig auftretende Rolle im Verlauf der Geschichte. Für mich persönlich eine interessante und außergewöhnliche Idee, auch wenn ich zu Beginn etwas Zweifel gehabt habe, ob ein historischer Roman mich nicht doch zwischendurch zu sehr langweilen würde. Ich kann euch versichern: Das ist - jedenfalls bei mir - absolut nicht der Fall gewesen. Ich bin ehrlich überrascht, dass mir die Geschichte von Emma und Carl SO unglaublich gut gefallen hat - damit hätte ich tatsächlich nicht gerechnet und ich würde behaupten, dass das Buch für mich persönlich ein Jahreshighlight werden könnte. Das Buch schneidet meiner Meinung nach nicht nur wichtige Themen wie Emanzipation, Feminismus und Selbstverwirklichung an, sondern integriert diese so charmant und gekonnt, dass ich das Gefühl hatte, dass ich auf jeder Seite mit interessanten Inhalten konfrontiert werde [auch wenn ich schon einige Rezensionen gelesen habe, bei denen die Länge kritisiert worden ist - ich persönlich habe die Geschichte absolut nicht als zäh empfunden]. Sei egal, ob es sich um Carls Leidenschaft zum Senf sowie seiner Vielfältigkeit, Emmas Kampfwillen oder um die Familienkonflikte der Protagonisten dreht: die lesende Person erhält einen unglaublich interessanten, komplexen und gut recherchierten Einblick in die damalige Zeit, aber auch in das persönliche Leben von Carl und Emma - und ihre Lebenswege verlaufen definitiv nicht immer positiv. Sie erleben Höhepunkte, aber auch tiefe Niederlagen, Rückschläge und treffen gleichzeitig auf Konfliktsituationen, die das Buch für mich abrunden und mitfiebern lassen. Besonders zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse und die lesende Person wird mit vielen Fragen, Emotionen und Verwirrungen zurückgelassen - perfekt, um auf den zweiten Band neugierig zu machen. Ich kann für das Buch eine klare Leseempfehlung aussprechen! Selbst wenn historische Romane nicht unbedingt euer Milieu sind: ich finde, es lohnt sich definitiv, die Geschichte zu lesen. Sogar so sehr, dass ich einmal um ein Uhr nachts im Bett saß, vor mir eine Scheibe Brot mit Senf bestrichen, weil ich so begeistert über Carls Leidenschaft und Glückseligkeit zum Senf gewesen bin und genau diesen Enthusiasmus selbst nachvollziehen und fühlen wollte. Hach ja, die Senf-Thematik...Eine unglaublich originelle Idee, welche anhand einer romantischen Geschichte umrahmt und von starken, eigenwilligen und unglaublich sympathischen Protagonisten begleitet wird. Die Geschichte hat mich unglaublich fasziniert und das ist etwas, womit ich ehrlich gesagt absolut nicht gerechnet hätte. Falls ihr euch nun fragt, ob Emma und Carl es letztlich schaffen, ihre Träume zu verwirklichen und sich nicht von ihrem Umfeld beeinflussen zu lassen, dann müsst ihr unbedingt eure Neugier stillen - es lohnt sich, finde ich.

𝐒𝐩𝐫𝐚𝐜𝐡𝐬𝐭𝐢𝐥
Ein großes Lob geht hierbei an den Sprachstil der Autorin, der meiner Meinung nach wirklich eine großartige Leistung ist. Erfrischend, angenehm und künstlerisch detailliert werden Handlungen und Szenenbeschreibungen herübergebracht. Besonders gelungen finde ich hierbei, wie die Emotionen der Charaktere hervorgehoben und akzentuiert werden: man wird ergriffen von der Leidenschaft Carls, von dem Trotz Emmas oder den Sorgen Antoines. Ich habe nicht nur ihre Geschichten begleitet, sondern auch mitgefiebert und gehofft, dass alles reibungslos verläuft - kleiner Spoiler: das tut es natürlich nicht. Gerade diese Beschreibungen sind das, was einen Roman ausmachen und die Autorin schafft es, diese Gefühle greifbar zu machen und eine unglaublich spannende und interessante Atmosphäre zu erschaffen. Auch die Gespräche zwischen den Charakteren wirken sehr authentisch, realistisch und gut an die historischen Gegebenheiten angepasst. Die Ausdrucksweise wirkt sehr gewählt, höflich sowie intellektuell und spiegelt somit auch die damaligen Umgangsweisen gut wider. Auch wenn zwar einige Begrifflichkeiten eines moderneren Ursprungs sind, konnte ich mich dennoch in die damalige Zeit hineinversetzen. Das Lesetempo ist hierbei ebenfalls gut gewählt und auch wenn es mehrere Zeitsprünge gibt, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich damit überfordert werde. Es wirkt einfach unglaublich stimmig, weswegen sich das Buch meiner Meinung nach auch sehr flüssig liest und durch seinen lebendigen Stil hervorsticht.

𝐂𝐡𝐚𝐫𝐚𝐤𝐭𝐞𝐫𝐞
Ich liebe starke Protagonisten. Und besonders liebe ich auch Emma und Carl - zwei unglaublich starke Charaktere, die zwar zu Beginn verschiedene Träume haben, aber sich dennoch finden und gemeinsam ihre Wünsche erfüllen möchten. Besonders Emma habe ich hierbei für ihren Wagemut, ihre Intelligenz und ihren neugierigen sowie kämpferischen Charakter lieb gewonnen. Ich bewundere sie dafür, dass sie nicht aufgibt und ihren eigenen Kopf durchsetzen möchte - nahezu ein Todesurteil für die damalige Gesellschaft, welche im Bereich der Emanzipation nicht weit fortgeschritten ist. Carl hingegen ist ein unglaublich verständnisvoller, urteilsfreier und sympathischer Mensch, der manchmal etwas Antrieb benötigt, aber dennoch das Herz am rechten Fleck hat. Auch ihn mag ich sehr, wobei er mir zum Ende hin öfters mal sehr leid getan hat. Besonders bei diesen beiden Charakteren finde ich auch allgemein ihre gesamte Persönlichkeitskonstruktion unglaublich gelungen: sie haben Ecken und Kanten, sind vielfältig gestaltet und zeichnen sich durch tiefgründige und komplexe Strukturen aus. Es ist schön, ihre individuellen Entwicklungen zu beobachten und ihre Gedankengänge zu verfolgen. Zu sehen, wie sie sich gegen Konflikte versuchen zu behaupten, ihre eigenen Wege gehen wollen und zu selbstständigen und starken Erwachsenen heranwachsen. Zu Antoine hingegen möchte ich gar nicht viel sagen - ehrlich gesagt kann ich ihn auch gar nicht so sehr einschätzen. Ich kann euch schon einmal verraten, dass auch er eine wichtige Rolle für das Werk innehat. Jedoch möchte ich, dass ihr euch selbst ein Bild von ihm macht, denn mein Bild von ihm schwankt sehr zwischen Sympathie, Mitleid und Misstrauen. Ich freue mich sehr, ihn und auch Carl und Emma im zweiten Band noch intensiver kennenzulernen und sie auf ihrem weiteren Weg begleiten zu dürfen - ich bin sehr gespannt.