So viel mehr als eine Geschichte über die Erfahrungen einer Filmikone der 60er-Jahre

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hannicake Avatar

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Evelyn Hugo, die Filmikone der 60er-Jahre, kündigt an, nach vielen Jahren ein neues Interview zu führen. Einzige Bedingung ist, dass es die Journalistin Monique durchführt. Evelyn eröffnet ihr bei dem ersten Treffen, dass sie nicht bloß ein kurzes Interview, sondern ihre Memoiren niedergeschrieben haben möchte. Eine noch bedeutendere Aufgabe für Monique, die sich fragt, warum Evelyn ausgerechnet sie, eine eher unbekannte Journalistin, dafür ausgewählt hat. Darüber, warum Evelyn Monique ausgewählt hat, kann man als Leser zunächst nur Vermutungen aufstellen. Auch, wenn man vielleicht schon Vorahnungen hat, die in die richtige Richtung gehen, so gelingt es einem erst nahezu am Schluss, zu verstehen, inwieweit die beiden tatsächlich in einer Beziehung zueinander stehen und diese hat es in sich und wirkt tragisch. Dieses Rätseln sorgt für Spannung und wirkt nicht konstruiert, sondern vielmehr gut aufgebaut und logisch – so viel kann an dieser Stelle schon einmal gesagt werden.

Evelyn strahlt schon bei ihrem ersten Auftreten viel Lebenserfahrung und Weisheit aus und wirkt sympathisch. Aber sie ist bei weitem keine Heilige. Auch sie hat Fehler gemacht, Menschen benutzt und Entscheidungen getroffen, die sie jetzt, viele Jahre später, nur teilweise bereut. Trotzdem kann man als Leser kaum anders, als sie zu mögen. Das steht vor allem im Zusammenhang mit ihrem reflektierten Blick auf ihr Leben und ihrer Einsicht, dass sie ihre Mitmenschen mit manchen ihrer Handlungen verletzt hat, obwohl sie sich anders hätte verhalten können.

Erzählt wird aber nicht nur die Geschichte von Evelyn, sondern auch Monique erhält ihren Raum. Sie hat genauso mit Hürden und Problemen zu kämpfen. Die Erlebnisse von Evelyn stehen zwar im Vordergrund, aber immer wieder gelangen wir Leser in die Gegenwart zurück und begleiten Monique, abseits von den gemeinsamen Treffen, dabei, wie die von Evelyn geschilderten Erfahrungen etwas in ihr auslösen, sie zum Nachdenken bringen, ihr zur Klarheit verhelfen und sie wachsen lassen.

Die Geschichte gliedert sich in die verschiedenen Ehen, die Evelyn eingegangen ist, aber es geht um so viel mehr als diese. Sie definiert sich nicht durch diese, sondern sieht die vielen Ehen höchstens als Stationen oder Fixpunkte in ihrem Leben an, die Einfluss darauf haben, wer sie heute ist. Es geht vielmehr um Rollenbilder, um den gesellschaftlichen Umgang und der Akzeptanz der Sexualität. Diese war in den 60er-Jahren zwar noch ganz anders, aber auch heute sind noch einige Parallelen zu erkennen, die verdeutlichen, dass diesbezüglich noch immer viel Wandel in der Gesellschaft stattfinden muss. Durch diese und weitere angesprochene Themen bringt einen die Geschichte zum Nachdenken und ist wertvoll und wichtig. Zudem wird es dadurch sehr berührend, bewegend und tiefgründig. Auch das Ende ist alles andere als einfach zu lesen. Die Geschichte treibt einem mehr als einmal Tränen in die Augen, aber wird insgesamt nicht überdramatisiert dargestellt, sondern ist in sich stimmig und, soweit es aus heutiger Sicht beurteilbar ist, authentisch.

Es fehlen Worte, um diese Geschichte angemessen zu würdigen, aber gesagt werden kann, dass sie berührend ist und auch für die heutige Zeit noch viele wichtige Themen in die Handlung einbaut. Es lohnt sich, diese Geschichte zu lesen und die emotionale Leseerfahrung selbst zu machen!