Sterbehilfe – erlaubt oder strafbar

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rahel.katharina Avatar

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Fangen wir mit der Aufmachung des Buches an: Das Cover ist schlicht gestaltet, passt aber definitiv zum Inhalt und auch zu den anderen Büchern von Markus Thiele. Ich war von Anfang an sehr gespannt auf das Thema und wie dieses im Buch verarbeitet wurde. Es ist das erste Buch, was ich von ihm gelesen habe und es wird definitiv nicht das Letzte sein.

Inhalt:
Dr. Max Keller hilft seiner Tante, ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Sie möchte friedlich sterben, wenn ihre Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass sie sich nur noch quält und kein richtiges Leben mehr hat. Dr. Keller hilft ihr dabei und gerät in den Strudel der Justiz. Ein Verfahren der Staatsanwaltschaft wird gegen ihn eingeleitet, geführt von seinem früheren besten Freund, der ein großes Geheimnis mit ihm teilt.
Die Frage: Macht sich Dr. Keller der Tötung strafbar, oder war es rechtens, dass er seiner Tante zu einem selbstbestimmten Tod verholfen hat?

Meine Meinung;
Die Kapitel in diesem Buch wechseln sich immer wieder ab zwischen Gegenwart und Vergangenheit. So lernen wir nach und nach mehr über die einzelnen Figuren kennen und folgen trotzdem weiterhin der Ge-schichte.
Wir lernen in dem Buch mehrere Menschen kennen. Dr. Max Keller, der Arzt ist und seiner Tante Maria beim Sterben geholfen hat, als diese nur noch vor sich hinvegetierte. Seine Tante hat ihn damals als ju-gendlichen aufgenommen, als er niemanden mehr hatte und sie haben sich immer wunderbar verstanden. Er hat in seiner Kindheit viel durchgemacht, mit einem Vater, der sich nie um ihn gekümmert hat und dem Verlust seines zu Hauses. Er steht zu dem, was er getan hat und sieht sich im Recht, obwohl er genau weiß, dass es rechtlich gesehen strafbar ist, was er getan hat. Manchmal kam er mir etwas wirr vor und so, als ob er sein Leben nicht mehr ganz im Griff hätte (zB wenn wir das erste Mal seine Praxis beschrie-ben bekommen). Was durchaus mit seiner Familiensituation zu tun hat (im Laufe des Buches erfahren wir hier in Rückblenden mehr drüber)
Dann haben wir noch den Staatsanwalt Jonas, der mit dem Fall beauftragt wird und seinen ehemaligen bes-ten Freund anklagen muss. Er führt ein gutes Leben, auch wenn er sich mit seinem Vater nicht versteht und seine Ehe bröckelt. Zu seiner Tochter hat er ein sehr gutes Verhältnis und spricht auch mit ihr über wichtige Dinge.
Max kommt zu Jonas und bittet ihn um seine Hilfe, was Jonas noch mehr vor eine Zwickmühle stellt. Er muss als Staatsanwalt eine bestimmte Rolle wahrnehmen und das Gesetzt durchsetzen. Doch als Max ein Ereignis aus der Vergangenheit erwähnt, bei dem er die Schuld auf sich genommen hat, für etwas, dass Jonas getan hatte, fühlt sich Jonas etwas unter Druck gesetzt.
Die dritte im Bunde ist Agnes. Die Tochter von Maria. Seit dem tragischen Ereignis, wo Max die Schuld auf sich genommen hat, hasst sie ihn (Sie weiß nicht, was damals wirklich vorgefallen ist). Sie macht ihn dafür verantwortlich, ihr Lebensglück zerstört zu haben und wendet sich von ihm ab. Zu ihrer Mutter hat sie seit jeher auch kein gutes Verhältnis mehr und hat sie im Pflegeheim kaum besucht. Als sie erfährt, dass Max ihr beim Sterben geholfen hat, schwärzt sie ihn bei der Polizei an, manipuliert beweise und will ihn im Ge-fängnis sehen. Sie scheint von Hass zerfressen zu sein und trauert gar nicht so sehr um ihre Mutter. Viel eher kommt es einem so vor, als ob sie nun ihre Chance sieht, sich an Max zu rächen.

Ein gewichtiges Thema, das der Autor wirklich gut wiedergegeben hat. Sein Schreibstil war flüssig und man flog nur so durch die Seiten. Gerade Jonas Gedanken und Gefühle konnte ich gut nachvollziehen. Was ich bei Max leider nicht behaupten konnte. Durch alles, was wir aus seiner Vergangenheit erfahren konnten, sollte man eine tiefere Verbindung mit ihm fühlen. Bei mir war das allerdings nicht der Fall. Ich habe nicht mit ihm mitgefiebert, ob er nun bestraft wird oder nicht. Ich habe es eher als neutraler Leser ge-lesen, der mehr an dem Verfahren an sich, als an den Figuren interessiert war. Auch mit Agnes konnte ich keinerlei Verbindung eingehen. Aber vielleicht ist Markus Thiele darauf auch nicht aus gewesen. Vielleicht lag sein Hauptaugenmerk auch mehr auf der Frage, wie weit man seinen Tod selbst bestimmen darf und ob man Hilfe dabei in Anspruch nehmen darf. Die Protagonisten wären dann nur dazu da, die Geschichte zu transportieren, ohne näher gehende Gefühle auszulösen. Da das hier mein erstes Buch von ihm war, bin ich mir nicht ganz sicher, ob dies der Fall ist. Ich kann es mir allerdings sehr gut vorstellen. Und ich finde auch, das tut dem Buch keinen Abbruch. Man steht auf keiner Seite, sondern kann sich alles neutral anhö-ren und miterleben.
Die Kapitel mit den Rückblenden fand ich auch sehr gut, allerdings kam es mir zwischendurch so vor, als ob mehr Rückblenden da waren, als die Haupthandlung. Ich dachte hin und wieder, ja jetzt würde ich gerne wissen, wie es mit der Anklage weitergeht.

Fazit:
Das Thema, das in diesem Buch aufgegriffen wird, ist ein hartes, sehr komplexes Thema, das auf jeden Fall zum Nachdenken anregt und bestimmt zu einigen Diskussionen führen wird, was richtig und falsch ist. Ich finde, im Buch ist es sehr gut gelöst, da der Autor nicht vorgibt, was er für richtig hält. Er beleuchtet beide Seiten und geht näher auf die Gesetzte ein. Sehr gut finde ich auch, dass später bei der Verhandlung auch über den Tellerrand geblickt wird.
Das Buch hinterfragt geltende Gesetzte, ohne sie bloß zu stellen. Es beleuchtet alle Seiten. Sei es die Sei-te der Patientin, desjenigen, der geholfen hat, den Anwälten oder Familienangehörigen. Wir sehen viele verschiedene Blickrichtungen auf das Thema und was wir selbst daraus machen, bleibt ganz uns überlas-sen.
Ein durchaus interessantes Buch, das ich jedem empfehlen kann, der sich für das Thema oder mehr für unser Rechtssystem interessiert. Wer allerdings große Gefühle, einen eindeutigen Abschluss oder ein ty-pisches Happy End erwartet, sollte nicht zu diesem Buch greifen.