Literarisch höchst innovativ

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singstar72 Avatar

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Auch dieses Buch gehört in England schon länger zum „literarischen Tagesgespräch“. Entsprechend neugierig war ich. Und bin auch hier mehr als restlos begeistert! Es lässt sich so gar nicht in eine Schublade einordnen. Das ist innovativ, überzeugend gemacht, und schlichtweg rundherum lesbar!

Vom Setting und Tonfall her ist es ganz im Stil des „Golden Age“ des Detektivromans geschrieben. Ein einsamer Landsitz. Geladene Gäste. Smokings und Dinnerpartys. Getäfelte Eingangshallen, Himmelbetten und Waschschüsseln. Sogar eine gusseiserne Badewanne auf Löwenfüßen!

Vom Erzählton her hat es mich schon arg an Agatha Christie erinnert. Insbesondere an „The Murder of Roger Ackroyd“. Wir haben es hier mit einem Musterbeispiel des „unzuverlässigen Erzählers“ zu tun. Denn er gibt es ja selbst zu – er hat das Gedächtnis verloren! Zusammen mit dem Arzt (?) Sebastian Bell stolpern wir also durch die ersten Kapitel. Aus dem Klappentext geht dann auch noch hervor, dass dies nicht die einzige Erzählperspektive bleiben wird. Nacheinander taucht der Erzähler in die Köpfe verschiedener Gäste des Landsitzes ein. Ich bin gespannt, wie sich das unterscheiden wird!

Für die gehörige Prise Überraschung und Spannung sorgt dann zusätzliche eine fantastische Meta-Ebene, die immer mal wieder in die Handlung „einbricht“. So hat Sebastian Bell zum Beispiel einen Traum, an den er sich erinnert. Ein „Pestdoktor“ erscheint. Es ist die Rede von einem „Lakaien“. Und zu allem Überfluss findet Bell eine Nachricht der ominösen Anna, die seine Gedanken zu lesen scheint… eigentlich erscheint das unmöglich!! Die Figuren des Romans erscheinen so wie Elemente eines Schachspiels, das von einer ganz anderen Ebene aus dirigiert wird. Insofern erinnert es dann wieder an die „Zehn kleinen Negerlein“, auch von Agatha Christie… (oder an „Sofies Welt“, wo die Romanheldin Sofie ja auch Nachrichten von „draußen“ erhält…)

Mir machen die ganze Verschachtelung der Erzählung und die literarischen Kniffe bereits jetzt soviel Spaß, dass mir der eigentliche Kriminalfall schon fast egal ist… ich möchte dieses Buch unbedingt lesen, nur das weiß ich...