Miss Marples Murmeltiertag

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Die britischen Medien überschlagen sich bei diesem Buch mit Lobeshymnen. Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Tja, das kommt wohl auf die Perspektive an. Denn eins vorab: Um an diesem Buch Freude zu haben, muss man wohl ein gerüttelt Maß Geduld und Freude an von britischem Geschmack geprägten Skurrilitäten mitbringen. Ansonsten ist das ein Buch, das man hasst oder innig liebt. Doch zuerst ein paar Fakten zum Inhalt.
Die Grundidee besteht darin, den Erzähler immer wieder denselben Tag erleben zu lassen: bis hierher nichts unfassbar Neues. Das kommt erst dazu, indem der Autor seinen Protagonisten jeden Tag aus der Perspektive einer anderen Person erleben lässt, um ein Rätsel zu lösen. So wacht der Erzähler also zunächst im Wald auf: gekleidet nicht nur in den Smoking eines anderen Mannes, sondern auch in dessen Körper. Kenntnis darüber, wer er ist oder wie er in diese Lage kam? Fehlanzeige. Im weiteren Verlauf erfährt der Erzähler, dass er Aiden Bishop ist und dass ein nicht als solches erkennbarer Mord begangen werde. Fortan wacht Aiden täglich in einem neuen Körper auf, sammelt Erfahrungen und muss das Rätsel lösen, denn wenn er nach 8 Tagen den Namen des Mörders nicht gefunden hat, werden seine Erinnerungen gelöscht und das Spiel beginnt von vorn. Doch weil das noch zu einfach wäre, stellt der Autor ihm Gegenspieler zur Seite, die ebenfalls in fremden Körpern stecken und auch den Mörder finden sollen. Nur derjenige, der den Mörder entlarvt, entkommt der Zeitschleife. Und um nur ja keine unnötige Langeweile aufkommen zu lassen, gibt es noch den einen oder anderen „Störfaktor“.
Klingt überdreht? Ja, ist es auch, das Buch ist eine wilde Mischung aus "Und täglich grüßt das Murmeltier", Schauergesichte, Krimi im Stile Agatha Christies und Sciencefiction. Vermutlich sollte man, um das Buch zu mögen, die gesamte Konstruktion der Geschichte aus der SciFi-Perspektive betrachten, sonst wird man sie vermutlich als zu konstruiert oder komplex betrachten. Denn um die Übersicht zu bewahren, wer in wessen Körper steckt und wie das „Spiel“ beeinflusst, muss man auch ein wenig am Ball bleiben wollen – was bei ca. 600 Seiten nicht immer einfach ist. Doch das gelang hier, nicht zuletzt weil der Autor stilistisch brillant ist – und das obwohl er im Präsens schreibt (was ich nicht verknusen kann). Er möbelt das klassische Setting von Agatha Christie auf und kombiniert es intelligent mit SciFi-Elementen, wirft dabei auch ethisch-moralische Fragen auf und lässt den Leser bis zum Schluss im Dunkeln tappen.
Einen kleinen Abzug gibt es, weil man sich manchmal doch sehr konzentrieren muss, manche Stelle etwas blutrünstig ist und weil das Ende etwas „gehetzt“ wirkt.