Eine ausweglose Situation, die Justiz und Clankriminalität

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thelidel Avatar

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Auf diesen Krimi hatte ich mich schon wochenlang gefreut und konnte es kaum erwarten, ihn endlich in den Händen zu halten. Nachdem ich das Buch in zwei Stücken sofort gelesen habe, waren meine Erwartungen teils erfüllt.

Der Fall um den es sich handelt scheint total verworren: Der eigentlich "spießige" Familienvater Nikolas Nölting, der sich ordnungsgemäß seinen Fahrradhelm aufsetzt, um zu einer Bäckerei zu radeln und wild um sich zu schießen. Keiner kann sich erklären, was ihn dazu gebracht hat, am allerwenigsten seine Frau, die aus allen Wolken zu fallen scheint.
Durch einen Zufall engagiert diese den Strafverteidiger Rocco Eberhardt, der sich des Falles annimmt. Auch ihm erscheinen einige Punkte suspekt und berät sich schließlich mit dem Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer, der in diesem Fall das Gutachten erstellt hat. Er bestätigt die Vermutung Eberhardts, dass das Ziel der Schießerei die Ermordung Moritz Lindners war, die anderen beiden Personen anzuschießen nur davon ablenken sollte. Nach und nach kommen immer mehr Details und die Verstrickungen Nöltings in illegale Geschäfte und die daraus resultierenden Beziehungen zu Berliner Clans, zum Vorschein.
Obwohl sich Rocco Eberhardt geschworen hatte, nie wieder einen Fall nahe an sich herankommen zu lassen, wird seine Familie unfreiwillig mit in diesen Fall hineingezogen und seine Schwester wird Opfer eines Anschlages, der eigentlich dem gemeinsamen Freund, Tobias Baumann, galt. Dieser ermittelt in dem Fall als Privatdetektiv und scheint bei seinen Nachforschungen jemandem auf die Füße getreten zu sein. Nach einigen Niederschlägen in der Verhandlung, entwirren Eberhardt und Baumann immer weiter die Zusammenhänge. Wie schon der Titel impliziert, wartet man gespannt auf die "7. Zeugin", die gleichzeitig auch Die letzte in diesem Prozess sein wird.

Dabei wird der Leser jedoch feststellen, dass eigentlich Zeuge Nummer sechs für die eigentliche Wendung in dem Fall aussschlaggebend war und ohne diesen auch Zeuge Nummer sieben recht aussichtslos für die Verteidigung gewesen wäre. Nur in dieser Kombination kann Nummer Sieben das entscheidene Zünglein an der Waage sein.
Die Frage nach dem Motiv Nöltings bleibt lange ein Geheimnis, wobei dem aufmerksamen Leser dies bereits im ersten Satz des Buches klar werden könnte.

Der Eindruck, der sich mir vermittelt hat ist, dass es sich bei "Die 7. Zeugin" um eine realitätsnahe Erzählung eines Verbrechens und des darauffolgenden Prozesses handelt, was "jederezeit genauso passieren könnte - oder vielleicht sogar gerade in diesem Moment [...]", wie Schwiecker im Klappentext erwähnt.

Positiv fand ich den wirklich überraschend sympathischen Rocco Eberhardt, der den Leser in die Welt der Strafverteidiger mitnimmt. Er hat sich trotz der Bedrohung seiner Familie und dem verzwickten Fall nicht aus der Ruhe bringen lassen und eine wahrliche Meisterleistung vollbracht. Er scheint seine Berufung in seinem Beruf gefunden zu haben.

Was ich ziemlich schade fand war, dass der Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer nur eine Randfigur dargestellt hat. Ich hatte gehofft, dass vielleicht eine Entdeckung, die nur er durch seine Fachexpertise machen kann, neue Erkenntnisse gebracht hätte oder das zumindest überhaupt seine fachliche Einschätzung in mehr als nur einem Sachgutachten gefragt gewesen wäre.
Zumindest, dass er mehr als nur durch dieses Gutachten und sporadischen Beratungen mit Eberhard, in der lediglich nach seiner Meinung zur Strategie des Anwalts gefragt wurde, in den Fall involviert gewesen zu sein. Es scheint als hätte man der Figur des Rechtsmediziners eine nebensächliche wie irrelevante Eigenschaft, einen Kulli zwischen seinen Fingern kreisen zu lassen, verpasst und ihn als ein wenig "exzentrische" Person eingeführt, um ihm dann nicht mehr Raum einzuräumen, als einem abtrünnigen und aufmüpfigen Verwandten in der hier involvierten Clanstruktur.

Das Einbinden von Clankriminalität unterstreicht die Aktualität und Relevanz des Themas und zeigt auf, über wie viel Einfluss und Macht diese Familien verfügen. Auch da sind die Autoren meiner Empfindung nach nahe an der Realität geblieben. Dadurch sind auch keine absurden über übertriebenen Handlungsstränge entstanden, um die Spannung unnötigerweise zu erhöhen.
Lange war ich mir nicht sicher, ob man wirklich so viele Informationen über die Familienkonstellation Eberhardts benötigt, nachdem das Buch allerdings mit einem spannenden Cliffhanger endet, wird es wohl zu diesem Thema noch viel mehr zu erfahren geben.

Das Buch ist eine Empfehlung für alle, die einen guten Krimi mögen und Interesse am Verfahren unseres Justizsystems haben. Auch allen, die am organisierten Verbrechen der Clans in unserer Hauptstadt interessiert sind, bietet dieses Buch durch die Erfahrung der beiden Autoren zu diesen Themen einen spannenden Einblick. Wer auch mal einen realistischen Krimi einer abstrusen Jagd auf Leben und Tod, was natürlich auch super spannend sein kann, vorzieht, ist hier genau richtig.