Provinzposse

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mia-w Avatar

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Um es kurz zu machen: Ich war entsetzt. Dieses Buch hat leider nichts von alledem gehalten, was Cover, Klappentext und Autorenduo versprochen haben. Es ist plump geschrieben, hat eine nur im allerersten Ansatz originelle Story, wartet mit einem grauenvoll klischeehaften Figurentableau auf und ist obendrein (besonders fatal für einen selbsternannten Thriller) brechlangweilig.

Dies alles hat mich besonders überrascht, weil ich schon einige Bücher von Michael Tsokos gelesen habe, die deutlich besser geschrieben waren. Ich kann daraus nur folgern, dass Co-Autor Florian Schwiecker den Löwenanteil der Autorenarbeit übernommen hat - was dem Buch nicht gutgetan hat. Ich wusste zwischendurch nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, wenn der wackere Westberliner Strafverteidiger Rocco (ein klischeehafter italienischer Familienmensch mit unangenehmen machismohaften Allüren seiner kleinen Schwester gegenüber) wieder einmal ratlos und rehäugig die Hände ringt. Dabei kommen dann Zeilen wie diese zustande: "Es gab eine Person, die mehr als jede andere für Wahrheit und Aufrichtigkeit stand. Mit dieser Person musste er sprechen! Kurz entschlossen wählte er die Nummer von Doktor Justus Jarmer." Dieser grauenvolle Duktus zieht sich leider durch das ganze Buch. Rocco Eberhardt ist entweder zutiefst ratlos, zutiefst betroffen oder zutiefst empört! (Mit Ausrufezeichen, versteht sich!) Es liest sich wie eine schlechte Provinzposse - die nur eben in Berlin spielt (aber keine Sorge, auch hier eigentlich fast ausschließlich im Westteil - und der ist ja eigentlich immer noch ein Dorf).

Am meisten geärgert habe ich mich allerdings über die angebliche zweite Hauptfigur, den Rechtsmediziner Justus Jarmer. Denn dieser hat eigentlich keinen ernsthaften Part im Buch. Am Anfang macht er eine nicht unwichtige Entdeckung bei der Obduktion - aber das war es auch schon. Danach wird er allerdings immer wieder - komplett unnötig für die Handlung - als eine Art moralische Instanz in die Story konstruiert, um am Ende angeblich beim Durchbruch zu verhelfen. Komplett überflüssig, größtenteils nicht nachvollziehbar und auch aus dramaturgischer Sicht eine echte Fehlentscheidung.

Bevor ich mich jetzt noch in weiteren Details ergehe, drücke ich beide Augen zu und gebe einen Sterne - für die im Ansatz kreative Story und dafür, dass ich bisher durchaus etwas von Michael Tsokos als Autor gehalten habe. In seinem eigenen Interesse hoffe ich, dass es keine weiteren Fälle dieses "Ermittler-Duos" geben wird. Denn das braucht die Welt nun wirklich nicht.