Schlichte Geschichte mit schlichteren Charakteren

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Der Krimi von Schwiecker und Tsokos macht mehrere Sachen richtig. Der Schreibstil ist simpel, aber nie langweilig oder unangemessen. Der Handlungsaufbau folgt klassischen Literaturmusters und verfügt über mehrere Höhepunkte, speziell im Mittelteil. Obwohl die behandelte Tat für Liebhaber von Filmen und Büchern nicht neu erscheinen wird, schafft es die Geschichte im zweiten Drittel noch einmal Fahrt aufzunehmen und die ein oder andere Wendung zu präsentieren. Auch wenn sich anfängliche Prognosen über den Täter als wahr herausstellen könnten, bieten die Autoren ausreichend Hintergrundgeschichte um zu unterhalten.

Mein größtes Problem mit "Die 7. Zeugin" befasst sich mit den extrem flachen Charakteren. Während der eigentliche Protagonist noch über rudimentären Tiefgang verfügt, kann man das selbe nicht über seinen Dr. Watson aus der Rechtsmedizin oder seinen Gegner im Gerichtssaal sagen:

- Dr. Justus Jarmer, der weniger relevante Teil des Protagonisten Duos wird folgendermaßen eingeführt "Er war eine Koryphäe auf seinem Fachgebiet und zugleich ein vehementer Fürsprecher von Moral und Gerechtigkeit" (S. 56) und später noch einmal mit "Es gab eine Person, die mehr als jede andere für Wahrheit und Aufrichtigkeit stand. [...] Kurz entschlossen wählte er die Nummer von Doktor Justus Jarmer" (S. 232). Wie jemand auf die Idee kommt so seine Hauptfiguren zu beschreiben ist mir schleierhaft.

- Nicht überraschend, gibt es ein ähnliches Muster beim Erstellen der Gegenspieler. Der berühmte Oberstaatsanwalt Dr. Bäumler fällt im Roman mehrfach auf. Er ist dumm, kleinkariert, arrogant, versteht sich nicht auf juristische Fragen, übersieht alle relevanten Infos im Plädoyer eines Zeugen, neigt zu Wutausbrüchen und zur Selbstdarstellung und fällt auf jeden Trick der Protagonisten herein. Hier wurde offensichtlich eine Leinwand in Form eines Charakters geschaffen, auf der sich der Held Rocco Eberhardt austoben kann und seine großartigen Fähigkeiten, sowie seine moralische Integrität zur Schau stellen kann. Sehr enttäuschend.

Auch schade ist, dass das Knowhow das Michael Tsokos durch seinen Alias Dr. Jarmer beitragen könnte, weitestgehend verpufft. Das Buch behandelt keinerlei interessante Rechtsmedizin und das implizite Versprechen des Anwalts/Mediziner Autoren Duos wird nur wenig bedient. Hier wäre mehr Tiefgang angenehm.



Unterm Strich handelt es sich um extrem schlichte Unterhaltungsliteratur, die grundlegende Ansprüche erfüllen kann, aber weit unter ihren Möglichkeiten bleibt.