Warum?

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Warum erschießt ein Familienvater am helllichten Tag wahllos Menschen in einer Bäckerei? Diese Frage ist nicht nur sehr spannend, sondern auch die Grundlage für den Auftakt der neuen Justiz-Krimi-Reihe von Michael Tsokos und Florian Schwiecker.

Der Einstieg ist sehr unvermittelt: Kurz lernt man den Täter Niklas Nölting kennen, als auch schon die im Klappentext beschriebene Tat geschieht. Danach spielt Nölting eigentlich kaum noch eine Rolle, denn er äußert sich nicht, sondern Anwalt Rocco Eberhardt übernimmt die Verteidigung und damit auch den Protagonisten-Status.

Mir hat gut gefallen, dass es immer wieder kleine Zeitsprünge gab. Mal wurde der Zeitraum vor, mal während und nach der Tat geschildert. Die einzelnen Kapitel sind so beschriftet, dass man nicht durcheinander kommt. Außerdem gibt es so immer wieder kleine Cliffhanger, die dafür sorgen, dass man weiterlesen muss. Die große Frage nach dem Warum bleibt dabei immer im Hinterkopf. Dadurch habe ich mir beim Lesen extrem viele eigene Gedanken gemacht und nach einer Lösung gesucht. Teilweise habe ich mich so hilflos wie Anwalt Rocco Eberhardt gefühlt.

Ihn fand ich sehr sympathisch. Er ist hartnäckig und nimmt seinen Job sehr ernst. Allerdings steckt er auch in dem Dilemma, für seine Mandanten das bestmögliche Urteil zu erzielen, auch wenn sie schwere Straftaten begangen haben. Dadurch wirkt er sehr menschlich und scheint zu den "Guten" zu gehören. Vor allem weil er im vorliegenden Fall alles daran setzt, den Grund für Nöltings Tat zu erfahren.

Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen, die Sprache flüssig. Man könnte befürchten, dass hier mit Fachbegriffen etc. aus der Anwaltssprache um sich geworfen wird, das ist aber nicht der Fall. Es ist zwar sehr sachlich und auch eher ruhig geschrieben, aber so, dass man alles gut versteht. Mir hat auch gefallen, dass sich der Stil, vor allem in den Dialogen, sehr verändert hat, je nachdem welche Person spricht. Dadurch wurden die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Milieus noch mehr hervorgehoben.

Ein bisschen schade fand ich, dass man schon einiges vor dem Ende die Frage nach dem Motiv erklärt bekam. Man konnte auch schon früh etwas ahnen, was mich nicht gestört hat, aber durch die Klärung des Warums geht auch einiges an Spannung verloren. Zwar wird das Urteil erst ganz am Ende gesprochen, aber hier war der Ausgang dann doch vorhersehbar.

Entschuldigt wurde ich durch die letzten Zeilen. Die sind wirklich gemein, denn man kann nicht anders als den nächsten Teil herbeisehnen.

Ich werde die Reihe auf jeden Fall weiter verfolgen, da ich Anwalt Rocco Eberhardt sehr sympathisch fand und dieser Krimi durch seine Unaufgeregtheit überzeugen kann. Ein kleiner Wermutstropfen ist die frühe Auflösung des Motivs. Deshalb gibt es von mir 4 Sterne.