Absolut gelungene Fortsetzung

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marialein Avatar

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Nach ihrer Begegnung mit Gott und Thorns plötzlichem Verschwinden im zweiten Teil der Spiegelreisenden-Saga ist Ophelia zurück auf ihrer Heimatarche Anima und hat jeglichen Kontakt zum Pol und ihrem Ehemann verloren. Ihr Museum ist geschlossen und so verbringt Ophelia ihren Tag größtenteils in ihrem Bett, wo sie aber keineswegs untätig herumsitzt, sondern Nachforschungen zu den Erinnerungen Faruks, des Familiengeistes des Pols, anstellt. Ihr Ziel: Thorn aufspüren und das Geheimnis um Gott und den Anderen, der die alte Welt in Stücke zerrissen hat, lüften.

Als schließlich nach fast 3 Jahren Archibald, der Ex-Botschafter des Pols, auftaucht, um sie abzuholen, steht sie vor der Wahl: Begleitet sie ihn und ihre Tante Roseline zurück zum Pol oder reist sie auf eigene Faust dorthin, wo sie ihre Recherchen hinführen: nach Babel, wo vor dem Riss die Schule stand, die die späteren Familiengeister besuchten. Ophelia entscheidet sich für Letzteres und findet sich allein in einer Metropole wieder, die sich unter der sehr strengen Kontrolle der Lords von LUX befindet und wo jedes unbedachte Wort zu strenger Strafe führen kann. Mit ihrer falschen Identität – damit Gott sie nicht aufspüren kann, gibt sie sich als eine Animistin achten Grades namens Eulalia aus – muss sie daher ständig auf der Hut sein.

Bald stellt sie fest, dass das Sekretarium, das sich am Standort der ehemaligen Schule befindet, der beste Weg ist, die Wahrheit zu erfahren, die sie sucht – und einen Anhaltspunkt zu bekommen, um Thorn zu finden. Um Zugang zu diesem exklusiven Ort zu bekommen, tritt sie eine Ausbildung zur Vorbotin an. Doch der Konkurrenzkampf ist hart und ihre Mitbewerber nicht gerade zimperlich. Zudem beschäftigt Ophelia eine Reihe ungeklärter Todesfälle, die einfach kein Zufall sein können. Als sie schließlich Thorn aufspürt, teilt der ihre Sicht – zeigt aber ansonsten eine Distanz zu ihr, die sie sich einfach nicht erklären kann.

Doch der Leser erfährt auch mehr über die Machenschaften Gottes. Aus Sicht der kleinen Viktoria, Tochter von Berenilde und Faruk, wird geschildert, wie das Mädchen ihren Körper verlässt und "reist", wobei sie hinter Gottes Täuschungen blickt, ohne jedoch die Erwachsenen warnen zu können. Eine interessante Idee, die im vierten Teil unbedingt weiterverfolgt werden muss…

Wieder einmal schafft es Christelle Dabos, eine neue faszinierende Welt zu erschaffen, in der Ophelia ein nicht minder spannendes Abenteuer erlebt als in den beiden Vorgängerteilen. Die überraschenden Wendungen und Enthüllungen sind immer wieder bemerkenswert; besonders Thorns plötzlicher Auftritt kam für mich völlig unerwartet. Die komplizierten Zusammenhänge, die die Protagonstin im Laufe der Geschichte aufdeckt, werden aufgelockert von der wunderbar bildhaften Sprache, den fantasievollen Details und lustigen Ideen wie Blasius dem Pechvogel oder Sprichwörter deklamierenden Automaten.

Eine sehr gelungene Fortsetzung der Spiegelreisenden-Saga, die sehr dramatisch endet und umso neugieriger auf den vierten und leider letzten Teil macht.