Traue Niemandem, den du (nicht) kennst

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Das Buch beschreibt viele Einzelschicksale, doch alle sind mehr oder weniger mit den grausamen Taten eines Kindesentführers verknüpft, der in und um Berlin sein Unwesen treibt. Fiona Seeberg, deren Tochter Sophie vor einigen Jahren ebenfalls entführt wurde und die ihren Schmerz mit Alkohol zu betäuben versucht. Ihr Verlobter Adrian, der mehr über Sophies vermeintlichen Tod zu wissen scheint, als Fiona ahnt.
Die geheimnisvolle Theresa Parloff, die Fiona bei ihrer Therapie kennen lernt und die offensichtlich ein Geheimnis vor ihr hat.
Kommissar Piet Karstens, der die Ermittlungen in dieser schrecklichen Mordserie leitet und der ebenfalls einen schmerzlichen Verlust erlitten hat.
Rentner Fritz Brommer, der Kinder beim Spielen beobachtet und sie mit Süßigkeiten lockt. Fionas unliebsame Jugendbekanntschaft Jens Zach, der nach zweijährigem Gefängnisaufenthalt plötzlich wieder bei ihr auftaucht und ihr nachstellt.
Diese und viele weitere Personen werden nach und nach in die Story eingebaut und (fast) alle geraten im Verlauf der Geschichte ins Profilbild des Täters.

Dieser hat es vornehmlich auf Kinder einer Kindertagesstätte in Berlin abgesehen. Die Kinder verschwinden am helligsten Tag - aus der Kita, aus Parks, aus Schwimmbädern oder aus dem Zoo und werden fortan nie wieder gesehen. Den verzweifelten Eltern übermittelt der Täter ein schauerliches Souvenir: eine weiße Lilie. Ein Zeichen für Reinheit, aber auch für Tod. Sollen die Familien nach der Meinung des Täters etwa für etwas Abbitte leisten? Die Ermittlungen drehen sich zunächst im Kreis und die Gedanken des Lesers mit ihnen. Viele Spuren verlaufen ins Leere. Die Autorin versucht gezielt ihre Leser auf falsche Fährten zu locken, doch die eigentliche Frage blieb durchweg bestehen. Kann es ein Zufall sein, das alle entführten Kinder dieselbe Kindertagesstätte besuchen? Stammt der Täter womöglich aus dem direkten Umfeld?
Das plötzlich auch schier Unbeteiligte wie die junge Anne, die sich nach einem Streit mit ihrem Freund Lars im Wald verirrt und der Kita Praktikant Sascha Funk dem Täter zum Opfer fallen, erschwert die Motivsuche zusätzlich. Niemand traut dem Anderen mehr über den Weg, während der Täter völlig unbehelligt schon Ausschau nach seinem nächsten Opfer hält.

Das Buch ist ganz gut durchdacht und durch die zahlreichen Personen zunächst sehr undurchsichtig. Zwar wird die Geschichte am Ende gänzlich aufgeklärt, jedoch fehlte mir bei einigen Personen einfach die Scharfzeichnung des Charakters. Mögliche Spuren werden anhand neuer Personen offenbart, doch ehe diese Spuren wirklich heiß wurden, tauchten schon die nächsten Figuren auf, die das Augenmerk des Lesers wieder auf sich lenken sollten.

Das geschickte sowie verdeckte Eingreifen des eigentlichen Täters in die Handlung fehlte mir einfach, sowie dessen wahren Beweggründe für seine zweifelsohne grausamen Rituale. Zudem handelte mir die Einsatzgruppe rund um Kommissar Piet Karstens zu sehr nach ihren eigenen Emotionen- sei es aus Verliebtheit, Arroganz oder Egoismus. Die Betrachtung der potentiellen Täter erschien mir streckenweise keineswegs sachlich, sondern es wurde vielmehr das Gefühl erweckt, die Ermittler wollen unbedingt irgendjemanden für den Tod der Kinder verantwortlich machen, anstatt den wahren Täter tatsächlich zu finden. Der Schreibstil ist nichtsdestotrotz flüssig aber nicht zu flach gehalten. Ein perfekter Thriller für alle, die sich im Urlaub ein wenig gruseln aber beim Lesen nicht allzu sehr anstrengen wollen.