Mehr Schatten als Licht

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
liesmal Avatar

Von

1944 – Margarethe lebt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Micha auf einem Hof in einem Eifeldorf. Vom Krieg werden sie hier bisher verschont. Ihr Vater Johann ist Ortsbauernführer, malträtiert allerdings nicht nur die Dorfbewohner, sondern auch seine polnischen Arbeiter und ebenso seine Familie. Margarethes Verlobter kommt aus dem Krieg nicht zurück und als sie Theo heiratet und er mit auf dem Hof lebt, gibt es zwischen ihm und Johann ständig Streitigkeiten und auch Margarethe hat nichts zu lachen. Der Umgangston in der Familie färbt natürlich auch auf Margarethes Sohn Alexander ab. In dem Buch, das die Zeit von 1944 bis zur Wende umfasst, geht es nicht nur um Margarethe und ihre Familie, sondern auch um die anderen Dorfbewohner und ihre Geschichten. Das Glück scheint allerdings bei keiner Familie zu Hause zu sein.
Durch das alte Haus auf dem Cover kann ich mir sehr gut vorstellen, wie es in dem Dorf ausgesehen haben könnte. Der lebendige Schreibstil gefällt mir. Mit viel Feingefühl und Realitätsnähe werden Erinnerungen geweckt, auch wenn ich nicht in der Eifel zu Hause bin, aber in der Nachkriegszeit geboren wurde.
Das afrikanische Sprichwort und die Widmung „allen Frauen, denen Unrecht und Gewalt widerfährt“ sind ein guter Einstieg und in manchen Buchpassagen tut es gut, daran zu denken.
Was mich besonders beeindruckt hat bzw. woran ich mich gern erinnere:
Die Menschen haben früher viel mehr miteinander zusammengesessen, gespielt und Geschichten erzählt. Der Aberglaube war noch Thema.
Johann – Schwer zu begreifen: Wie kann ein Mann, der so wunderschön Mundharmonika spielen kann, sich zu einem so gewaltbereiten Mann entwickeln?
Der amerikanische Soldat, der in der Kirche erkannt hat, dass nicht alle Deutschen Monster und Barbaren sind, hat mich sehr berührt.
Schlucken musste ich über die Aussage aus dem Kloster, dass es Gott scheinbar nicht gleichgültig ist, ob man arm ist oder reich.
Die Fußball-WM 1954 mit dem Wunder von Bern – eine Familie besaß einen Fernseher, vor dem sich alle Dorfbewohner versammelten – mal ein Tag, an dem die Menschen glücklich waren!
Margarethe und ihr Lebensweg mit weniger glücklichen als unglücklichen Momenten hat mich sehr berührt – ebenso der Weg von Alexander, ihrem Sohn.
Schwierig wurde es für mich im Kapitel 25 im Jahr 1987. In diesem Kapitel war Alexander 46 Jahre alt, bezahlt wurde damals in Euro. Trotz mehrmaligen Lesens bin ich daraus nicht schlau geworden. War es ein Versehen oder stand ich auf dem Schlauch?
Ansonsten hat mir die Erzählweise anhand der Jahreszahlen sehr gut gefallen, weil ich mich nur anhand der Zahlen mehrmals erinnern konnte, zum Beispiel an das Wetter im Februar 1956 – sehr gute Recherche!
Ich empfehle das Buch sehr gern und freue mich auf weitere Geschichten von Karl Blaser.