Die Stärke der Frauen

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Es ist eine kleine, enge Welt ohne nennenswerte Perspektiven, in die Bibiana und Belonísia hineingeboren werden. Durch ein Unglück schneidet eine von ihnen sich ein Stück Zunge ab. Sie ist dadurch keineswegs sprachlos, denn ihre Schwester versteht sie auch ohne Worte. Als Bibiana ihr Glück woanders sucht, weiß Belonísia sich kraft ihrer Stärke allein zu helfen, wächst über sich hinaus und behauptet sich besser als die meisten anderen Dorfbewohner.
Schlimmer als Sklaverei scheint die Ausbeutung in diesem Landstrich. Ein Mann nach dem anderen wird umgebracht, zurück bleiben Frauen und Kinder in Hunger, Not, Entrechtung, Demütigung. Sich aufzulehnen scheint keine Lösung zu sein, denn auch der kleinste Protest wird brutal niedergeschlagen. Auf jeden Widerstand folgen weitere Repressionen.
Die Menschen sind aufs Engste mit der kargen Erde und der Witterung verbunden, aber auch mit den Geistern der Vorfahren. Ohne die Kraft der Frauen könnte das Dorf nicht bestehen.
Doch zurück zu den Schwestern. Das unheilvolle Messer spielt eine wichtige Rolle und durchzieht wie ein roter Faden die Geschichte, angefangen beim Diebstahl durch die Großmutter. Auf dem Cover wird es durch erhobene Aloe Vera-Blätter ausgedrückt, die wiederum zur Wundheilung maßgeblich beitragen.
Itamar Vieira Junior wechselt beim Erzählen häufig die Zeiten. Das wäre verwirrend, wenn er nicht sehr markante Namen für die einzelnen Generationen ausgewählt hätte. In drei Teilen erfährt der Leser nach und nach, was geschehen ist. Wer aufmerksam liest, erkennt anhand der Verben schon sehr bald, welches der Mädchen sich nur mitteilt (durch Gesten oder Blicke) und welches sprechen kann.
Aus der Zeit nach der offiziellen Sklavenbefreiung speziell in Südamerika, wo Schwarze sich mit Indigenen vermischt haben, wissen wir nicht viel. Itamar Junior ist wegen seiner Doktorarbeit ihren Lebensbedingungen auf den Grund gegangen und hat schonungslos offengelegt, wie schändlich mit ihnen umgegangen wurde.
„Die Stimme meiner Schwester“ ist ein außergewöhnlicher Stoff, der inhaltlich aus den üblichen Themen von heute heraussticht. Ein notwendiges Buch, das jedem Interessierten die Augen öffnet.