Eingeklemmter Samenkorn

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"Beim Spielen finden Bibiana und Belonisia unter dem Bett ihrer Großmutter einen alten Koffer. Neugierig holen sie ein großes Messer hervor. Bei ihrem verbotenen Spiel verliert eine der Schwestern ihre Zunge, die andere ersetzt fortan ihre Stimme. Das Leben ihrer Familie folgt treu den Spuren der Ahnen. Großmutter Donana spricht mit den Toten, der Vater ist ein angesehener Geistheiler. Gegen diese Welt lehnen sich die beiden jungen Frauen auf..." (Klappentext)

Der Roman 'Die Stimme meiner Schwester' schenkt würdevoll den Nachkommen früherer Sklaven in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine aufklärende Stimme - allein nur ein literarischer Kreis schließt sich nicht.
Itamar Vieira Junior pflanzt mit seinem Debüt einen Samenkorn in die Erde, aus dem unüberhörbare Klanglaute zum Himmel gesendet werden. Sprachliche Klanglaute voll magischer Anziehungskraft schenkten mir tiefe Einblicke in eine Natur, die mir bis dato unbekannt war. Die Landschaft rund um eine brasilianische Siedlung auf einer Plantage strahlte mit leuchtenden Farben durch eine gekonnte Inszenierung von Wortkombinationen bis tief hinter meine Augäpfel und lies mich abtauchen.

Abtauchen, um mich dann leider versunken allein zu lassen. Es sprudelten fragende Bläschen in mir: Ja, wo ist denn die Leuchtkraft der Charakter*innen, warum öffnet sich nicht ihr Samenkorn, um einen Wachstum sichtbar zu machen? Nein, da öffnete sich nichts - die unterschiedlichen Erzählstimmen blieben konstant bildend im Ton, ohne zu berühren, ohne mit Kontrasten zu spielen. Auch die Handlung blieb unaufgeregt, sie wurde gesät und fing nicht an zu wachsen. Vielleicht war einfach keine Gießkanne zur Hand, die das in die 'Höhe sprießen' hätte unterstützen können?