Zwei Frauen im Kampf für ihre Unabhängigkeit

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marie497 Avatar

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Durch einen Schicksalsschlag in der Kindheit wird das Zwillingsband der beiden Schwestern Bibiana und Belonísia noch enger miteinander verflochten. Mit zwei weiteren Geschwistern und ihren Eltern lebt die Familie als abhängige Arbeiter auf einer brasilianischen Fazenda, wo sie das Land der Grundbesitzer Tag für Tag bestellen, ohne auch nur einen einzigen freien Tag zu haben. Verschiedene Umstände und Menschen beeinflussen das Leben der beiden Schwestern nachhaltig, wodurch es bei ihnen zu einem Umbruch in ihrem Denken bezüglich der Umstände, unter denen sie zu leben haben, kommt. Wie wäre ein Leben weit weg von der Abhängigkeit von ausbeuterischen und unterdrückenden Grundbesitzern? Und was für eine Rolle spielt die Frau als solche dabei?

Schon das bunte Buchcover macht neugierig auf den Roman. Der Titel „Die Stimme meiner Schwester“ hat mich allerdings eine andere Geschichte vermuten lassen. Denn im Roman geht der Autor Vieira doch nur sehr spärlich auf die ungewöhnliche Verbindung von Bibiana und Belonísia ein, die sie seit dem Tag haben, als eine von ihnen ihre Stimme verliert. Im Roman bekommen die beiden Schwestern jeweils eigene Buchabschnitte, in denen die Charaktere die Möglichkeit haben, ihre Geschichte zu erzählen. Das ermöglicht dem Leser die beiden getrennt voneinander kennenzulernen. Das hat mir sehr gut gefallen! Die sehr bildhafte Sprache von Vieira macht es dem Leser leicht, die Geschichte der Nachfahren der Sklaven von Brasilien aufzufassen und zu verstehen.

Dennoch muss der Leser gerade am Anfang ein wenig geduldig sein, bis die Erzählung auf die Schwestern gelenkt wird. Anfangs beleuchtet der Autor eher die Lebensumstände, die Familie im Allgemeinen und andere Ereignisse. Das machte das Lesen am Angang doch recht zäh.
Besonders gut gefallen haben mir die Beschreibungen von Vieira über die Natur Brasiliens, d.h. die Landschaft und die Pflanzen. Aber auch die Gebräuche und Traditionen sowie die Lebensumstände der Arbeiter konnten durch den Autor sehr gut an den Leser herangetragen werden. Hier bekam man die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen von Vieira als Leser deutlich und authentisch zu spüren.
Da man die beiden Schwestern über mehrere Jahre begleitet, erlebt der Leser ihre Entwicklung hautnah mit. Dadurch bekommt man auch Einblicke wie nach und nach ein Umdenken bezüglich des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Arbeitern und Grundbesitzern stattfindet und welche Gefahren damit einhergehen. Trotz, dass eine von ihnen keine Stimme mehr hat, weiß sie sich nach und nach durchzusetzen und bemerkbar zu machen. Besonders gefallen hat mir, dass Vieira das Verhältnis zwischen Mann und Frau in seine Erzählungen mit einfließen lässt.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich den Roman als gut empfinde. Ich bin auch nach Lesen der letzten Seite immer noch der Meinung, dass der Titel eine andere Geschichte vermuten lässt und daher irreführend sein kann. Gerade auch anfangs fiel es mir schwer den Titel und damit meine Erwartungen mit den ersten hundert Seiten in Einklang zu bringen. Denn gerade auf den ersten Seiten spielen die beiden Schwestern eher eine untergeordnete Rolle. Die Geschichte und Charaktere haben mich dennoch überzeugt und mich auf die Geschichte Brasiliens neugierig gemacht. Das Buch lohnt sich für all diejenigen, die Lust auf eine andere Kulisse und die Geschichte sowie Naturerzählungen Brasiliens haben!