Wenn sich Home Help zum Horrortrip entwickelt

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schmökerwürmchen Avatar

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Die Protagonistin Jo ist nach ihrer Scheidung von Simon mehr oder weniger mittellos und kommt bei ihrer Freundin Tabitha in deren schicker Londoner Wohnung in Camden unter. Als freie Journalistin ist es heutzutage für Jo nicht mehr so einfach, genügend Geld zu verdienen. Der elitären Tabitha ergeht es da als Naturreporterin beim Fernsehen wesentlich besser. Ihre Wohnung ist super stylisch ausgestattet und mit dem Home Help System Electra technisch auf dem aktuellsten Stand. Da Tabitha sich die meiste Zeit bei ihrem reichen Freund Arlo aufhält, fühlt sich Jo oft einsam. Eines Tages gibt Electra merkwürdige Dinge von sich und entwickelt zusehends ein Eigenleben. Sie weiß einige schlimme Dinge aus Jos Vergangenheit und setzt sie zusehends unter Druck. Jo fühlt sich hilflos und niemand glaubt ihr. Nach und nach zerstört Electra auf übelste Weise Jos Leben. Doch wie soll man sich gegen einen unsichtbaren Feind wehren? Oder wird sie langsam psychisch krank, wie ihr Vater vor langer Zeit?

Die Idee, einen Psychothriller um ein außer Kontrolle geratenes Home Help System hat mich auf Anhieb begeistert. Jos momentane Situation bietet kaum Perspektiven und sie ist oft allein. Doch irgendwie konnte ich schon von Beginn an nicht glauben, dass sie schizophren wird, auch wenn ihr Vater daran erkrankt ist und Stimmen gehört hat, wie Jo jetzt über Electra.
Erzählt wird die Story größtenteils aus Jos Perspektive. Doch auch andere Personen aus ihrem Umfeld kommen gelegentlich zu Wort. Wer hätte ein Interesse daran, Jo aus dem Weg zu räumen und verfügt über das technische know-how? Scheinbar besteht Jos Umfeld quasi aus IT Spezialisten.
Vor einiger Zeit hatte Jo einen fundierten, kritischen Artikel über die IT Branche verfasst und ist damit einigen mächtigen Leuten gehörig auf den Schlips getreten, allen voran Tabithas Freund Arlo. Oder steckt doch ihr Ex Mann Simon dahinter, die einzige Person neben Tabitha, der über die dunkle Vergangenheit Bescheid weiß? Ist er derjenige, der sich rächen will?
Vielleicht spielen Jo aber auch ihr Tabletten- und Alkoholkonsum einen Streich? Doch der Obdachlose Autos hat ebenfalls etwas bemerkt.
Die Kapitel sind kurz gehalten und enden jeweils mit einem fiesen Cliffhanger, so dass man kaum aufhören mag zu lesen. Die Sprache ist flüssig und eindringlich. Die Beschreibungen des winterlichen Londons unterstreichen die düstere Stimmung.
Jo als Protagonistin ist mir nicht immer sympathisch, manches Mal wirkt sie mir einfach zu passiv und fügt sich in ihre Situation. Lange weiß man nicht, was man ihr glauben soll. Gefühlt jeder in ihrem Umfeld könnte Electra manipuliert haben. Und Tabitha hat sich nicht wirklich wie eine Freundin verhalten, von ihr hätte man doch wirklich mehr Unterstützung erwartet.
Aber um ein Buch zu mögen, müssen mir Personen ja nicht unbedingt sympathisch sein. Hier wurde die Spannung nach und nach aufgebaut, Jos Situation wirkte immer auswegloser und bis zum Schluss habe ich meine Verdachtsmomente immer wieder überworfen. Mit der Auflösung und dem Motiv jedenfalls hatte ich überhaupt nicht gerechnet.
Nur zwischendurch kam die Story gelegentlich ins Stocken und die Beschreibungen der Wetterverhältnisse waren mir an einigen Stellen etwas zu langatmig.
Auf jeden Fall regt aber die Story zum Nachdenken an und man betrachtet sein eigenes technisches Equipment doch mit etwas anderen Augen.