Familie, Herkunft und das Schweigen zwischen Müttern und Töchtern
In „Die Summe unserer Teile“ erzählt Paola Lopez die Geschichte dreier Frauen aus drei Generationen, die durch ihre wissenschaftliche Arbeit verbunden sind – und durch ihr familiäres Schweigen voneinander getrennt.
Die Autorin, geboren 1988 in Wien, ist promovierte Mathematikerin mit einem Forschungsschwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz. Derzeit lebt sie in Berlin und arbeitet an der Universität Bremen. Für ihr Romandebüt wurde sie 2023 mit dem Theodor Körner Preis ausgezeichnet.
Worum geht’s genau?
Die Geschichte verwebt drei Lebenslinien: eine Chemikerin, die aus dem kriegsgezeichneten Polen in den Libanon flieht; ihre Tochter, die als Ärztin in Deutschland Fuß fasst; und ihre Enkelin, eine Informatikstudentin, die sich ihrer zerrissenen Familiengeschichte stellen muss. Über diese drei Schicksale entfaltet sich ein Generationenroman, der von Verlust, Schweigen, Migration und dem Versuch erzählt, Verbindung über Raum und Zeit hinweg neu zu knüpfen – getragen von der Frage: Wie beeinflusst die Vergangenheit unsere Gegenwart?
Meine Meinung
Der Roman hat mich vor allem durch die Vielschichtigkeit der Figuren beeindruckt – jede von ihnen ist auf ihre Weise verletzlich und stark. Besonders die Darstellung innerer Konflikte und unausgesprochener Gefühle fand ich sehr gelungen. Die Figuren sind nie idealisiert – das macht sie greifbar. Die Chemie als Metapher für Veränderung hat für mich gut funktioniert: "Nichts bleibt, wie es ist – nur die Bedingungen müssen stimmen. Wir sind die Summer unsere Teile."
Thematisch wird viel aufgeworfen: Migration, weibliche Selbstbestimmung, familiäres Schweigen, aber auch Sprache und Identität. Poetische, dichte Bilder wie das Gefühl, durchgekaut und ausgespuckt zu sein oder die Metapher eines verstimmten Klaviers bleiben im Kopf. Lopez gelingt es, Komplexes einfach und eindrucksvoll darzustellen. Die Sprachbilder zur Mehrsprachigkeit – und dem Gefühl, nie ganz anzukommen – sind klug gewählt. Auch die Idee, dass die Familiengeschichte keine klaren Regeln kennt, sondern wie eine unvollständige Grammatik funktioniert, bleibt hängen. Toll fand ich zudem, wie durch scheinbar kleine Details ganze Zeitabschnitte sichtbar werden – etwa, dass Rauchen im Flugzeug einst erlaubt war.
Was mich gestört hat, war die für mich zu offene Struktur am Ende. Auch wenn ich verstehe, dass nicht alles gelöst werden muss, blieb bei mir ein leichtes Gefühl der Unvollständigkeit zurück. Manche Szenen (wie etwa mit der toten Taube) blieben mir unverständlich und schienen mir nicht vollständig in die Handlung eingebunden. Auch wichtige Nebenfiguren – etwa der Vater – bleiben eher Randerscheinungen, obwohl sie interessante Perspektiven eröffnen.
Dennoch: Die Darstellung familiärer Dynamiken, insbesondere die Unsicherheiten zwischen Müttern und Töchtern, ist sehr gut gelungen. Es gibt keine einfachen Antworten, und genau das spiegelt ja oftmals auch die Realität wider.
Fazit
Ein sensibel erzählter Roman über das Schweigen zwischen Generationen, Identität und das, was Familie ausmacht – mit poetischer Sprache und viel Gefühl. Auch wenn nicht alle Fragen beantwortet werden, lohnt sich die Lektüre. Deshalb gibt es von mir eine klare Empfehlung und 4 von 5 Sternen.
Die Autorin, geboren 1988 in Wien, ist promovierte Mathematikerin mit einem Forschungsschwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz. Derzeit lebt sie in Berlin und arbeitet an der Universität Bremen. Für ihr Romandebüt wurde sie 2023 mit dem Theodor Körner Preis ausgezeichnet.
Worum geht’s genau?
Die Geschichte verwebt drei Lebenslinien: eine Chemikerin, die aus dem kriegsgezeichneten Polen in den Libanon flieht; ihre Tochter, die als Ärztin in Deutschland Fuß fasst; und ihre Enkelin, eine Informatikstudentin, die sich ihrer zerrissenen Familiengeschichte stellen muss. Über diese drei Schicksale entfaltet sich ein Generationenroman, der von Verlust, Schweigen, Migration und dem Versuch erzählt, Verbindung über Raum und Zeit hinweg neu zu knüpfen – getragen von der Frage: Wie beeinflusst die Vergangenheit unsere Gegenwart?
Meine Meinung
Der Roman hat mich vor allem durch die Vielschichtigkeit der Figuren beeindruckt – jede von ihnen ist auf ihre Weise verletzlich und stark. Besonders die Darstellung innerer Konflikte und unausgesprochener Gefühle fand ich sehr gelungen. Die Figuren sind nie idealisiert – das macht sie greifbar. Die Chemie als Metapher für Veränderung hat für mich gut funktioniert: "Nichts bleibt, wie es ist – nur die Bedingungen müssen stimmen. Wir sind die Summer unsere Teile."
Thematisch wird viel aufgeworfen: Migration, weibliche Selbstbestimmung, familiäres Schweigen, aber auch Sprache und Identität. Poetische, dichte Bilder wie das Gefühl, durchgekaut und ausgespuckt zu sein oder die Metapher eines verstimmten Klaviers bleiben im Kopf. Lopez gelingt es, Komplexes einfach und eindrucksvoll darzustellen. Die Sprachbilder zur Mehrsprachigkeit – und dem Gefühl, nie ganz anzukommen – sind klug gewählt. Auch die Idee, dass die Familiengeschichte keine klaren Regeln kennt, sondern wie eine unvollständige Grammatik funktioniert, bleibt hängen. Toll fand ich zudem, wie durch scheinbar kleine Details ganze Zeitabschnitte sichtbar werden – etwa, dass Rauchen im Flugzeug einst erlaubt war.
Was mich gestört hat, war die für mich zu offene Struktur am Ende. Auch wenn ich verstehe, dass nicht alles gelöst werden muss, blieb bei mir ein leichtes Gefühl der Unvollständigkeit zurück. Manche Szenen (wie etwa mit der toten Taube) blieben mir unverständlich und schienen mir nicht vollständig in die Handlung eingebunden. Auch wichtige Nebenfiguren – etwa der Vater – bleiben eher Randerscheinungen, obwohl sie interessante Perspektiven eröffnen.
Dennoch: Die Darstellung familiärer Dynamiken, insbesondere die Unsicherheiten zwischen Müttern und Töchtern, ist sehr gut gelungen. Es gibt keine einfachen Antworten, und genau das spiegelt ja oftmals auch die Realität wider.
Fazit
Ein sensibel erzählter Roman über das Schweigen zwischen Generationen, Identität und das, was Familie ausmacht – mit poetischer Sprache und viel Gefühl. Auch wenn nicht alle Fragen beantwortet werden, lohnt sich die Lektüre. Deshalb gibt es von mir eine klare Empfehlung und 4 von 5 Sternen.