Bewegendes Thema ohne Tiefgang

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gela_hk Avatar

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Frauen leben Ende des 19. Jahrhunderts in Paris gefährlich. Ist man zu aufmüpfig, andersartig oder sogar anderer Meinung als Männer landet man schnell in der Salpetriere, einer Anstalt für psychisch kranke Frauen. Zwar ist der Anteil der einfachen, aus der Unterschicht stammenden Frauen, größer. Aber es gibt auch Eugenie, die durch eine besondere Gabe den Unwillen ihres Vaters, einem bekannten Notar, erregt. Plötzlich schließt ihre Familie sie aus und selbst ihr Bruder beugt sich dem Willen des strengen Vaters.

Vielversprechend hat mich der Klappentext angesprochen. Es wurde eine Hymne auf die Courage aller Frauen versprochen. Doch Victoria Mas hat mit ihrem Roman leider nicht meine Erwartungen erfüllt. Gespannt lässt man sich mitnehmen in das 19. Jahrhundert, in dem die patriachalische Gesellschaft bestimmt, wer gesellschaftsfähig ist und wer nicht. Frauen sind Menschen zweiter Klasse und so werden sie auch behandelt. So wird schnell klar, dass Eugenies Bruder alle Freiheiten besitzt und in ihn große Erwartungen gelegt werden, sie dagegen wird gemaßregelt und zur Raison gerufen.

Leider bleiben die Protagonisten sehr blass und leblos. Man hätte diesen zurückgewiesenen Frauen mehr Emotionen, mehr Leidenschaft geben müssen. Wie hilflos muss sich eine junge Frau fühlen, die in der Salpetriere in einem Hörsaal voller junger Männer zur Schau gestellt wird. Man ahnt diese Demütigung, die Verzweiflung, aber den Worten fehlt die Kraft, um eine mitreißende Geschichte zu formen. Louise ist für mich noch am spürbarsten beschrieben. Sie fühlt sich besonders, wenn der Professor sie zum Schauobjekt deklariert. Hofft auf einen jungen Arzt, der sie aus der Anstalt retten soll. Aber auch ihr Schicksal geht einem nicht wirklich nah.
Was mir gar nicht gefallen hat, ist die spirituelle Gabe von Eugenie. Sie kann mit Verstorbenen kommunizieren und wird natürlich als verrückt erklärt.

Die Geschichte der Salpetriere wurde gut herausgearbeitet. Unvorstellbar, wie schnell Frauen abgestempelt wurden und keine Möglichkeit hatten, sich gegen unhaltbare Vorwürfe zu wehren.

Mich hat dieser Roman enttäuscht zurückgelassen. Das Ende nachvollziehbar, aber leider keine Hymne, wie erwartet. Mir haben die Eindrücke der Frauen gefehlt. Ein interessantes Thema mit fehlendem Tiefgang