Die Hysterikerinnen

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caro.booklover Avatar

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Der Klappentext suggeriert einen Roman über kämpferische Frauen, den Beginn des Feminismus quasi - weit gefehlt. Vielmehr ist das zentrale Thema die Ohnmacht der Frauen zu dieser Zeit, die häufig zum Spielball der Männer wurden. Wer einmal in der Salpetriere gelandet ist, hat fast keine Chance, ihr wieder zu entkommen. Ein großes Stigma stellt dieses Krankenhaus und ist gleichzeitig williges Sammelbecken für alle überflüssig gewordenen Frauen der Stadt, die unbequeme Fragen stellten oder nicht so funktionierten, wie sie sollten. Wenn sie aufgrund der überraschenden Einlieferung mit allen Konsequenzen einen Nervenzusammenbruch hatten, war das doch schon Beweis genug, dass sie wirklich dorthin gehörten? Es ist erschreckend zu lesen, was zwischenmenschlich so alles möglich ist und in verschiedenen Epochen als verhältnismäßig normal empfunden wird. Was dieser Roman nicht ist, ist das vom Klappentext und den Pressestimmen suggerierte kämpferische Manifest oder gar Anfänge des Feminismus. Im Gegenteil. Ich fand es sehr deprimierend, wie nahezu handlungsunfähig die jungen Frauen in diesem Buch sind. Wie das Krankenhaus und alles, was es impliziert, sie lähmt und ihnen jede Stimme raubt, die sie vielleicht irgendwann mal hatten. So wie es Eugénie passiert ist. In Louise konnte ich sehr lange gar keine Stärke entdecken, das zeigt sich erst ganz am Ende des Buches. Mystik begleitet die Geschichte und wird zum zentralen Geschehnis in Eugénies Leben, aber der mystische Anteil ganz am Ende war mir dann doch zu viel. Das Cover ist sehr schön, auch wenn es für mich nicht zu diesen gefangenen Frauen ohne Perspektive passen will. Vielleicht ein Wunschdenken, Federn zu haben und wegfliegen zu können. Eine Chance haben sie fast gar nicht. Die Einblicke in die Behandlungsmethoden der Psychiatrie zu dieser Zeit fand ich auf erschreckende Weise interessant. Es ist ein großes Glück, dass dieses Fachgebiet so viel Entwicklung durchgemacht hat. Andererseits - wer weiß, was in 100 Jahren von unseren jetzigen Behandlungsstandards gehalten wird ;)


Fazit:
Ich hatte eine deutlich kämpferische und feministischere Geschichte erwartet. Nichtsdestotrotz ist es eine interessante und spannende Zeitreise, eine kurzweilige Geschichte, die mitunter schwer schlucken lässt und froh darum macht, in dieser unserer Zeit leben zu dürfen - vor allem als Frau und insbesondere als Frau mit einer eigenen Meinung.