Etwas anders als erwartet…

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
leseratte_vorablesen Avatar

Von

Mit seinem luftig leichten Cover passend zum Titel, aufgrund des Klappentextes sowie der Leseprobe habe ich mir von Victoria Mas` Roman „Die Tanzenden“ nicht nur einen gesellschaftskritischen Einblick in die Welt der Frauen um 1885 in Paris erwartet, sondern auch eine emanzipierte Protagonistin. Diese Erwartung wurde jedoch nicht ganz erfüllt, da der Fokus stark auf Protagonistin Eugenie und ihrer spirituellen Begabung, die Geister Verstorbener zu sehen und mit ihnen in Kontakt zu treten, ruht. Dieser esoterische Ansatz war nicht so ganz meins.
Besser gefallen und ziemlich ernüchternd dagegen war der Einblick in das Rollenverständnis von Mann und Frau zu dieser Zeit: ob Eugenie von ihrem Vater nur als potentielle Heiratskandidatin „gehalten“ wird, jede ihrer scharfsinnigen Ausführungen mit Missfallen quittiert und sie dann aufgrund ihrer Gabe einfach als missliebig in die Psychiatrie abgeschoben wird, oder Louise, die durch den eigenen Onkel vergewaltigt wurde und dadurch unter psychischen Beeinträchtigungen leidet - wenn eine Frau zu dieser Zeit irgendwie aus dem Rahmen gefallen ist, lief sie Gefahr von ihrer Familie – respektive ihren männlichen Verwandten – in die Psychiatrie abgeschoben zu werden.
Alle drei Protagonistinnen, Eugenie, Louise aber auch die Krankenschwester Geneviève sind der Spielball ihrer männlichen Umwelt. Insoweit gibt der Roman einen interessanten Einblick in diese Facette der weiblichen Unterdrückung im 19en Jahrhundert.