Verspricht mehr, als der Inhalt hält

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buchling zamonia Avatar

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Passend zum Weltfrauentag erscheint der Roman „Die Tanzenden“ von Victoria Mas.
Die Handlung spielt im Jahr 1885 in Paris. Es geht um verschiedene Frauen, die ihr Leben freiwillig oder auch unfreiwillig in der berühmt-berüchtigten ‚Irrenanstalt‘ der Stadt, der Salpêtrière, verbringen.
Der Roman behandelt die Lebenswege der Patientinnen Louise und Eugénie, sowie der Krankenschwester Geneviève.
Louise, die nach dem sexuellen Missbrauch durch ihren Onkel an psychischen Problemen leidet, ist schon seit Jahren Patientin der Anstalt. Sie wird von Professor Charcot gern für dessen öffentliche Vorführungen „benutzt“. In diesen werden die Patientinnen unter Hypnose gesetzt, und während der Hypnose auftretende Krampfanfälle mit fragwürdigen, damals jedoch leider anerkannten Methoden (z. B. Drücken der Eierstöcke) behandelt.
Eugénie, Tochter aus gutbürgerlichem Haus, wird von Toten besucht und spricht mit ihnen. Als ihr Vater davon erfährt, weist er sie umgehend selbst in die Salpêtrière ein und möchte nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Geneviève arbeitet seit über 20 Jahren als Krankenschwester in der Nervenheilanstalt. Sie ist stolz auf ihre Tätigkeit und der festen Überzeugung, dass den Frauen durch die Forschung des Professor Charcot geholfen wird.
Die Handlung ist zum Zeitpunkt des alljährlich stattfindenden Balls „der Verrückten“ angesiedelt. An diesem Abend wird sich das Schicksal aller 3 Frauen in eine neue Richtung ändern.
Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Die Protagonistinnen sind gut gezeichnet, bleiben jedoch gerade bei ihren Emotionen leider recht oberflächlich. Hier kratzt die Autorin nur an der Oberfläche.
Leider entspricht der Inhalt des Romans auch nicht dem Klappentext. Laut diesem geht es um Frauen, die unterdrückt werden, weil sie mitbestimmen und selbst über ihr Leben entscheiden wollen. Das sehe ich im Buch nicht. Auf die sehr in die Tiefe gehende Spiritualität bei Eugénie, deren Gabe mit Toten zu sprechen, als normale Realität dargestellt wird, hätte gut verzichtet werden können.
Die Autorin hat ein sehr bewegendes Thema mit viel Potential gewählt, ist aber leider sehr oberflächlich geblieben. Die öffentliche Zurschaustellung der Patientinnen während ihrer „Behandlung“, die „Fleischbeschau“ der Frauen durch die Pariser Oberschicht auf dem balls des folles, die Abschiebung unbequemer Frauen als Hysterikkerinnen in eine Nervenheilanstalt; hier hätte man viel mehr herausholen können. Stattdessen wurden die Themen nur angeschnitten.
Der Klappentext verspricht mehr als wirklich dargestellt wird.
Für einen groben Überblick über die Unterdrückung von Frauen im 19-en Jahrhundert ist der Roman aber durchaus geeignet. Er bewegt zum Nachdenken und tiefer eintauchen in das Thema.