Von wegen Macarons

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Was auf den ersten Blick wie ein luftig-leichtes Buch wirkt, entpuppt sich als etwas ganz anderes …

Wir schreiben das Jahr 1885 und befinden uns in Paris, genauer gesagt geht es um die Salpêtrière, eine Frauen-Nervenheilanstalt. Die Geschichte kreist um das Leben dreier Frauen: zwei Insassinnen, Louise und Eugénie, und ihre Pflegerin Géneviève. Der Leiter der Psychiatrie gilt zwar als Koryphäe, seine Vorlesungen mit Demonstrationen an echten Patientinnen könnte man aber auch kritisch sehen, denn dabei provoziert er echte Anfälle bei seinen Patientinnen. Der Alltag ist zwar meist trist, doch Abwechslung naht in Form des jährlichen öffentlichen Balls, an dem die Psychatrie-Insassinnen teilnehmen dürfen. Auch hier gäbe es eine kritischere Sichtweise: Sie dürfen tanzen und spielen damit ein bisschen den Tanzbären für die „normalen“ Zuschauer. Louise und Eugénie sehen den Ball als Chance zu tun, wofür sie glauben, geboren zu sein – dass das Ganze eine ungeahnte Wendung nimmt, steht auf einem anderen Blatt.

Mit „Die Tanzenden“ öffnet die Autorin ein unangenehmes Kapitel: Wer nicht ins Raster passt, wird gern als verrückt abgestempelt. Und zu früheren Zeiten galt es eben als „normal“, entmündigte Personen zur Schau zu stellen und sich daran zu ergötzen. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit war das bittere Realität. Damit hält Mas uns einen Spiegel vor: Sind wir inzwischen wirklich weiter? Tun wir sowas nicht mehr? Wie schmal der Grad zwischen Normalität und Wahn sein kann, lässt sich an Geneviève erahnen, denn sie leidet noch sehr unter dem Tod ihrer Schwester – glücklicherweise ist es nicht ein bisschen mehr, sonst stünde sie evtl. auch auf „der anderen Seite“. Mas‘ Stil ist klar, lebendig, ja fast schon einfach bzw. schlicht – und auf dieser schlichten Fläche wird dann umso bedrückender deutlich, wie kalt man früher mit (vermeintlich) nicht der Norm entsprechenden Personen verfuhr.

Bei dem Buch bin ich hin und her gerissen, wie ich es sehe bzw. ob ich es zur Lektüre empfähle. Die Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Sie ist auch gut erzählt, wenngleich es kein offensichtlicher literarischer Genuss ist. Doch Cover und Klappentext suggerieren etwas anderes und wecken damit Erwartungen, die dann natürlich nicht erfüllt werden. Wenn man sich davon löst und sich darauf konzentiert, froh zu sein, dass man „in einer besseren Zeit lebt“, ist das Buch sicherlich einen Blick wert.