Ein amerikanisches Sittenbild

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efka Avatar

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Um das aktuelle Amerika zu verstehen, muss man den Blick auf die Zeit kurz vor der Jahrtausendwende richten. Ein paar Jahre vor Columbine und noch lange vor Trump versucht Ben Lerner uns seine Idee zu vermitteln. Die Perspektive des jugendlichen Adam, seiner Eltern, beide Psychologen, sowie Darren, ein Schulkamerad von Adam, bilden die Hauptachsen diese multiperspektivischen Werks von Ben Lerner.

Ein Blick auf Lerners Lebenslauf legt nahe, dass es sich in diesem Buch um Autofiktion handelt. Geboren in Topeka, debattierte Lerner in seiner Schulzeit selbst und seine Eltern arbeiten als Familientherapeuten.

Jedem dieser Protagonisten werden, in nicht chronologischer Reihenfolge, einzelne Kapitel gewidmet. Diese Unterscheiden sich durch die Perspektive und in der verwendeten Sprache und tragen zu einer spannenden Abwechslung beim Lesen bei. Die einzelnen Handlungsstränge wirken zunächst wahllos. Doch die großen Momente des Romans sind jene, an denen diese aneinander knüpfen und sich Kreise schließen. Dies geschieht auf eine fast beiläufige Art und der Autor weiß sich gekonnt zurückzuhalten, um dem Leser Raum für seine eigene Wahrnehmung zu lassen.

„Die Topeka Schule“ handelt vom Erwachsen werden, „toxischer“ Männlichkeit, von Anfeindungen und Konflikten. Ausgrenzung wird in schmerzhaften Facetten dargestellt und Sprache spielt eine entscheidende Rolle. Adam ist ein talentierter Debattierer und nimmt regelmäßig an Wettkämpfen teil. Den Gipfel des Debattierens stellt dabei das sogenannte „schnellsen“ dar.
Der Redner versucht dabei in einem wahnwitzigen Tempo seinen Kontrahenten mit Argumenten und Thesen zu konfrontieren, auf die er nahezu unmöglich komplett eingehen kann. Durch diese Überforderung soll ein Vorteil im Wettkampf bezweckt werden, der die Entfremdung der Sprache einer politischen Debatte und der resultierenden Beschränkung des Zugriffs für den Laien darstellt: „Das Letzte, was man mit diesen Tausenden von Wörtern anfangen sollte, war, sie zu verstehen. Derartige Offenlegungen waren zur Verschleierung gedacht.“

Lerner ist ein anspruchsvolles und vielschichtiges Werk gelungen, welches zur wiederholten Lektüre einlädt. Dabei versteht der Lyriker Ben Lerner meisterhaft mit Sprache umzugehen und beweist enormes Sprachgefühl.