Macht der Sprache

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Im ersten Moment lässt mich die Lektüre von „Die Topeka Schule“ zwiegespalten zurück. Einerseits bin ich überwältigt von der Sprache, die mich eingesogen hat, die mich Sätze immer wieder lesen ließ, weil ich spürte, es versteckt sich noch etwas dahinter. Das macht den Roman so lesenswert. Ben Lerner nutzt nicht nur eine wunderbare Sprache, reiht geistreich Worte aneinander, die mehr Sinn ergeben als im ersten Moment deutlich wird, sondern stellt auch ganz klar dar, wie wichtig Sprache ist, was sie für eine Macht entwickelt, wie unterschiedlich sie sein und genutzt werden kann und das ihr Fehlen ebenso in eine Katastrophe führt.
Andererseits ist die Geschichte an sich verwirrend, was auch drauf zurückzuführen sein kann, dass Sprache viel Raum für Interpretationen lässt. Die angeblich Freundschaft zwischen Darren und Adam wird zwar im Klappentext extra betont, ist aber weder vorhanden, noch spielt sie eine wichtige Rolle. Es geht eher darum, wie ein stummer Außenseiter gezwungenermaßen integriert wird und Adam ist eben dabei. Darren kann eher als Gegenpol zu dem wortgewandten Adam gesehen werden. Aber Adam hadert selber, hat Angst seine Sprache zu verlieren und damit die Macht, die ihm zuteil geworden ist, gerade weil er sie wie kein anderer beherrscht. Jane und Jonathan, Adams Eltern, kommen selbst zu Wort und runden das Bild ab, indem deutlich wird, wie wichtig Sprache auch für sie ist und was für ein spezielles Verständnis sie an ihren Sohn weitergegeben haben. Viele verschiedene Situationen, wo Sprache verloren geht, verwirrend oder übermächtig ist, werden beschrieben, zum Schluss ergibt es ein umfassendes Ganzes. Dabei macht Ben Lerner kleine Exkurse zu den Themen Sexismus und Feminismus, weiße Privilegiertheit und amerikanische Politik, was mir sehr gut gefallen hat.
Es ist kein Buch für zwischendurch, es verlangt Konzentration, aber es lohnt sich.