da ist viel luft nach oben

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blätterwald Avatar

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Der Roman beginnt vielversprechend. Einen Kriminalfall in die beginnende Besatzungszeit der Deutschen in Paris 1940 zu platzieren, das hatte was und hat mich neugierig gemacht. Die Atmosphäre dieser Zeit; ich habe sie gottseidank nicht selbst erlebt; scheint mir recht gut eingefangen worden zu sein.
Dieser Krimi spielt in zwei Zeiten, der Hauptteil ist im Juni 1940 angesiedelt, der Nebenstrang führt zurück in das Jahr 1925 und soll erklären, warum der Polizist Giral so ist, wie er ist. Ich persönlich finde, dass dieser Strang durchaus kürzer hätte erzählt werden können, er ist wenig erhellend und trägt auch nicht dazu bei, dass die Figur Giral dadurch mehrdimensionaler wird.
Giral bleibt für mich seltsamerweise ein wenig blass. Überhaupt sind die Figuren alle ein wenig eindimensional, die ganze Story lebt von den zeitgenössischen Ereignissen und dem Kriminalfall, der nur dazu dient, zeitgeschichtliches mit einer Thrilleratmosphäre zu verbinden. Da helfen dann auch die Erklärungen am Ende des Buches nicht mehr. Dieser Roman beruht nicht auf Tatsachen, jedenfalls nicht was den Fall an sich betrifft. Doch mir sind hier zu viele Fäden einbezogen worden und der Leser hat zu tun, um nicht den Überblick zu verlieren. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen. Da ist zu viel Salz in der Suppe.
Überhaupt wird den Figuren wenig Raum gegeben, sich zu entfalten und zu entwickeln. Sie sind in ihrem Korsett gefangen und kommen da kaum raus. Das denke ich, ist aber auch der Fülle an Figuren geschuldet, der Leser weiß ja selber kaum, welcher Figur er trauen könnte und was deren Beweggründe sind. Selbst die Geschichte mit dem Sohn von Giral, Jean-Luc, wirkt in Teilen unausgegoren. Das der Sohn immer wieder auftaucht und verschwindet, wirkt sehr konstruiert.
Die Stärke dieses Romans ist der historische Hintergrund und die Atmosphäre. Das passt alles irgendwie auch zur Handlung. Das Beklemmende dieser Zeit wirkt sehr realistisch.
Und das Ende? Ich möchte ja nicht spoilern. Nur ist es für mich, ich kann nicht sagen, enttäuschend. Zum Teil erwartbar, wenig überraschend und letzten Endes bleiben für mich immer noch ein paar Fragen offen.